Die Herausforderung
© Lothar Seckinger Köln 2008-2019

It could be argued that evolution might have favoured the less drastic step of developing a more typical cat- or dog-like killer, a kind of cat-ape or dog-ape, by the simple process of enlarging the teeth and nails into savage fang-like and claw-like weapons. But this would have put the ancestral ground-ape into direct competition with the already highly specialized cat and dog killers. It would have meant competing with them on their own terms, and the outcome would no doubt have been disastrous for the primates in question. Instead, an entirely new approach was made, using artificial weapons instead of natural ones, and it worked.
From tool-using to tool-making was the next step, and alongside this development improved hunting techniques, not only in terms of weapons, but also in terms of social co-operation.

Socially the hunting ape had to increase his urge to communicate and to co-operate with his fellows. Facial expressions and vocalizations had to become more complicated.

Desmond Morris

Ein anderer Fall von Weisheit fiel mir eines Tages auf, als ich sah, wie eine Schimpansin in ihrem Schlafkäfig alles Stroh einsammelte; zielgerichtet hob sie noch das kleinste Hälmchen auf, bis sie die Arme mehr als voll hatte, und trug alles nach draußen auf die Insel. Nie läuft ein Schimpanse mit Stroh herum, also weckte dies unsere Neugier. Es war November, und die Tage wurden kalt. Offensichtlich hatte diese Schimpansin beschlossen, dass sie es draußen warm haben wollte. Zu dem Zeitpunkt, als sie das Stroh einsammelte, konnte sie die Kälte nicht spüren - sie war in einem beheizten Gebäude -, also muss sie vom vergangenen Tag auf den kommenden geschlossen haben. Sie verbrachte den ganzen Tag in ihrem Strohnest, das sie nicht verlassen konnte, da alle anderen nur auf eine Gelegenheit warteten, es ihr wegzunehmen.
Nicht einfach ihr aggressives oder sexuelles Verhalten, von dem sie vieles mit anderen Tieren gemeinsam haben, sondern das erstaunliche Maß von Einsicht und Finesse, das sich in allem zeigt, was sie tun, ihre Intelligenz bringt viele von uns zur Forschung an Menschenaffen.

Frans de Waal

Es musste ihnen etwas "einfallen", denn für eine ausreichend schnelle physische Anpassung an die Anforderungen der Savanne war ihr für die Welt der Bäume optimierter Körper schlicht ungeeignet. Selbst mehr leichte Beute als Ernst zu nehmender Konkurrent der fleischfressenden Raubtiere, blieb auch der reichlich gedeckte Tisch in Form von Großwild zunächst für mehrere Millionen Jahre jenseits ihrer unmittelbaren körperlichen Fähigkeiten.
 
Vor etwa fünfzehn Millionen Jahren brachte eine langsam, aber kontinuierlich voranschreitende Klimaveränderung unsere weit entfernten Vorfahren in ein zunehmend unangenehmes Dilemma. Ihr Habitat, dichter Wald, war auf dem Rückzug, und damit schwanden nicht nur ihre bis dato fast unerschöpflichen Nahrungsressourcen, sondern auch ihr natürlicher Schutzraum, an den sie so gut angepasst waren und in dem sie sich so sicher bewegen konnten. Das Grasland dagegen, ungewohntes Terrain für ihre an die Fortbewegung in den Bäumen optimierten Gliedmaßen und Jagdrevier von in jeder Hinsicht hoffnungslos überlegenen Raubtieren dehnte sich unaufhörlich aus. Eine Migration der betroffenen Horden in noch bewaldetere Landstriche war dabei sicherlich nur bedingt möglich, da diese Gebiete von deren gut genährten Besitzern - den Vorfahren der heutigen Menschenaffen - massiv und unnachgiebig verteidigt wurden.

Das Problematische und gleichzeitig Vorteilhafte dieser Entwicklung war dabei die relative Geschwindigkeit, mit der die Umweltveränderung ablief. Sie war weder katastrophal, was eine Anpassung erübrigt und einfach zum Aussterben der davon betroffenen Kreaturen geführt hätte, noch war sie ausreichend langsam, um die extrem spezialisierten und bereits hochkomplexen Geschöpfe in einem langwierigen Prozess sukzessive durch genetische Mutationen adäquat an die Voraussetzungen der Savanne anpassen zu können.
Die Klimaveränderung und damit Versteppung der Wälder ging jedoch glücklicherweise eben so gemächlich voran, dass unseren Vorfahren gerade die Komplexität, die ihre gemeinschaftliche Überlebensstrategie implizierte, zum eigentlichen Vorteil wurde. Ihre dadurch weit entwickelten kognitiven Kompetenzen und die emergenten Potenziale ihrer sozialen Gruppenorganisation bildeten schließlich die Grundlage, durch die sie die Bedingungen ihres neuen Habitats erfassen und den Druck der evolutionären Adaption von der körperlichen auf die soziale Dimension verlagern konnten.

==> Beobachtungsvermögen ==> Abstraktion / Denken ohne Sprache ==> Schlussfolgerung
==> Empathie, Gegenseitigkeit, soziale Organisation ==> gegenseitige Abhängigkeit, Unterstützung, dadurch mögliche Spezialisierung
==> Theory of mind ohne Sprache ==> aufeinander abgestimmtes Handeln

Die Notwendigkeit, die überlebensrelevanten Gegebenheiten der Steppe möglichst schnell zu erfassen, um sie dann zum eigenen Vorteil nutzen zu können, war eine formidable Herausforderung für die vorhandenen kognitiven Fähigkeiten der Primaten. Ihr bereits gut entwickeltes Beobachtungsvermögen und ihre darauf basierende, noch wenig geforderte Fähigkeit zu abstraktem Denken wurde enorm auf die Probe gestellt und ständig bis an deren Kapazitätsgrenzen belastet. Gleichzeitig bedeutete die Verlagerung des evolutionären Anpassungsdrucks auf die soziale Dimension erhebliche Konsequenzen für die Komplexität der intersubjektiven Verhaltenskoordination und Gruppenorganisation.
Die erforderliche kognitive Erfassung der Lebensbedingungen des neuen Habitats und die unentbehrliche kollektive Zugänglichkeit individueller Erkenntnisgewinne sowie die darauf basierende Vereinbarung und Organisation der für das Überleben notwendigen kollektiven Verhaltensmuster führte schließlich zu einem ständig steigenden Bedarf an entsprechend verlässlicher intersubjektiver Kommunikation. Das vorhandene Repertoire an instinktiven Gesten und Laute konnte den dafür erforderlichen Differenzierungsgrad nicht leisten.

Neben der Fähigkeit zum Erfassen der individuellen, kollektiven wie umweltrelevanten Überlebensbedingungen ihres neuen Habitats mussten unsere Vorfahren deshalb vor allem einen wesentlichen Entwicklungsschritt bewältigen, der letztendlich zu unseren heutigen Gesellschaften führte: sie mussten ein intersubjektiv stabilisiertes und verlässliches Medium erfinden, das ihnen einen einigermaßen sicheren Datenaustausch und eine darauf basierende Informationsgenerierung ermöglichte.

Komplexer werdendes phänomenales Erkennen und Denken konnte jedoch nur dann intersubjektiv effektiv vermittelt und ausgetauscht werden, wenn die kommunizierenden Subjekte das Erkannte, das Gemeinte und das Gewollte in interaktiv stabilisierten Bedeutungszuweisungen gegenseitig symbolisch repräsentieren konnten.

Die Dimension der symbolischen Repräsentation begann, in den Köpfen der Hominiden zu keimen. Gesten wurden zu Laute, Laute zu Wörter, Worte zu Sätzen.
 
Denken war schon lange vor der Sprache vorhanden, brauchte die Sprache nicht, um sich zu entwickeln. Auch die der Sprache noch nicht mächtigen Wesen waren dazu fähig, über ihre Situation zu abstrahieren und aus ihren Beobachtungen Schlüsse für zukünftiges Handeln zu ziehen.
Wenn allerdings durch Denken Erkanntes, Gemeintes und Gewolltes intersubjektiv vermittelt und ausgetauscht werden soll, bedarf es eines repräsentativen Mediums, das durch intersubjektiv vereinbarte und stabilisierte symbolische Bedeutungszuweisungen Kommunikation ermöglicht.

 

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