Die Phylogenese der Seele
The first priority was not to speak, use words, or develop grammars. It was to bond as a group, to learn to share attention and set up the social patterns that would sustain such sharing and bonding in the species.

Merlin Donald

Wenn wir allerdings tatsächlich von anderen so stark abhängen, wie die Forschung nahelegt und uns eigene Erfahrung lehrt, wäre es doch ein vernünftiger Gedanke, nicht nur alles daran zu setzen, selbst möglich schnell satt und zufrieden zu werden, sondern auch die Wünsche und Erwartungen der anderen einzubeziehen

Frank Ochmann

Alles geschieht, als ob es ein Gleichgewicht gäbe zwischen individueller Erhaltung und der Erhaltung der Gruppe als erweiterter Einheit, die das Individuum einschließt.
Im Hinblick auf die Gruppe als Einheit ist die Individualität der Mitglieder irrelevant, da sie alle im Prinzip austauschbar sind und die gleichen Relationen verwirklichen können. Für die Bestandteile als Lebewesen ist Individualität jedoch gerade die Bedingung für ihre Existenz.

Humberto R. Maturana und Francisco J. Varela

We are just beginning to understand how the brain triggers and executes the social emotions. Because the term "social" inevitably conjures up the notion of human society and of culture, it is important to note that social emotions are by no means confined to humans. Look around and you will find examples of social emotions in chimpanzees, baboons, and plain monkeys; in dolphins and lions; in wolves; and, of course, in your dog and cat.
Since none of these animals is likely to have been taught to emote, it appears that the disposition to exhibit a social emotion is engrained deep in the organism's brain, ready to be deployed when the appropriate situation manages to trigger it. There is no doubt that the general brain arrangement that permits such sophisticated behaviors in the absence of language and instruments of culture is a gift of the genome of certain species.

Antonio Damasio

Mehr als je zuvor bedingte das Überleben eines Einzelnen dessen Mitgliedschaft in einer Gruppe.
Mehr als je zuvor bedingte das Überleben der Gruppe einen Einsatz Einzelner für die Gruppe.

Empathie spielt dabei eine tragende Rolle in der Entwicklung unserer Spezies. Es gibt sie, seit es soziale Lebewesen gibt, seit also einzelne Individuen ihre Individualität als Mitglied einer Gruppe verwirklichen. Ansonsten wäre es unmöglich gewesen, das gegenseitige Verhalten im Sinne gemeinsamen Überlebens zu organisieren und aufeinander abzustimmen.
Verhalten

Unter «Verhalten» verstehen wir die Haltungs- und Standortveränderungen eines Lebewesens, die ein Beobachter als Bewegungen oder Handlungen in bezug auf eine bestimmte Umgebung (Milieu) beschreibt. Humberto R. Maturana und Francisco J. Varela

metazelluläre und soziale Ebene

"Verhalten" ist das andere Phänomen, das Bewegung hervorbringt. Denn ein Lebewesen, das sich bewegt, verhält sich aus der Perspektive eines Beobachters in seinem Milieu.

Verhalten oder "sich verhalten" hängt unmittelbar mit dem Phänomen Bewegung zusammen. Denn was sich bewegt, "verhält" sich aus der Perspektive eines Beobachters.

Was aber ist dann Verhalten genau?

Emotionen

Verhaltensprogramme, die automatisch durch Gehirn-Instanzen ausgeführt werden, basierend auf phylogenetisch erprobten und bewährten Verhaltensdispositionen, die durch ontogenetische Prägung, d.h. Ereignisse, die sich im Leben der jeweilig gerade existierenden Lebewesen ereignen.

 

In jedem Gehirn eines Mitglieds einer jeglichen Spezies ist somit auf deren jeweiliger Entwicklungsstufe ein mehr oder weniger komplexes System der Stabilisierung von Korrelationen zwischen sensorischen und motorischen Neuronenarealen im Gange. Über Jahrmilliarden entwickelte sich dabei in allen lebenden Geschöpfen ein Erfahrungsfundus von grundsätzlichen Verhaltensregeln, die dem Überleben förderlich waren. Mit zunehmender Komplexität des sich ausbreitenden Lebens wurden diese basalen Erfahrungen und Erkenntnisse zwar immer weiter verfeinert und erweitert, jedoch immer auf der Grundlage der vorangegangenen, bereits bewährten Überlebensstrategien. Jedes einzelne Gehirn, gänzlich unabhängig von seiner Größe oder Struktur, ist mithin nichts anderes als ständig aktualisierte Erinnerungskapazität, die die überlebensrelevanten Erfahrungen sämtlicher Generationen einer Spezies zur Verfügung stellt, die vor der gegenwärtigen gelebt haben.
Über viele Generationen hinweg wurden auf diese Weise durch genetische Vererbung in allen entwickelten Lebewesen grundsätzliche Überlebensmechanismen angelegt, die wir in der Sprache als Emotionen bezeichnen. Dabei sind die primären Emotionen, wie z.B. Angst, Wut, Ekel, Überraschung, Frohgemut und Traurigkeit intuitive, körperliche Prozesse, die allen Lebewesen mit einem höher entwickelten Nervensystem gemein sind. Und auch die sozialen Emotionen wie z.B. Stolz, Sympathie, Abneigung, Neid, Eifersucht und Scham regeln bei allen sozial lebenden, kognitiv höher entwickelten Geschöpfen das gemeinsame Zusammenleben. Der Mensch ist in dieser Hinsicht keine Ausnahme.
In dieser Erinnerung, diesem Wissensspeicher einer stammesgeschichtlichen Entwicklung manifestiert sich die Seele einer jeden Spezies, nicht nur in der unseren. In der Seele einer aktuell lebenden Spezies offenbart sich damit das Überlebenswissen sämtlicher ihr vorangegangener Generationen. So kann mit den Erfahrungen aus dem Schicksal der Ahnen das Verhalten der gegewärtigen Geschöpfe unterstützt werden. Deshalb haben auch alle Tiere eine Seele, eine innere Instanz, die auf dem Erfahrungsfundus ihrer Spezies das Überleben ihrer gegenwärtig existierenden Generation lenkt.


Urzeit
Zunächst gemeinsame Entwicklung mit den teilweise heute noch lebenden Primaten
Der Orang-Utan spaltet sich vor ca. 14 Mio Jahren, der Gorialla vor ca. 7,5 Mio Jahren von der gemeinsamen Entwicklung ab
Die Hominiden spalten sich vor ca. 5,5 Mio Jahren vom gemeinsamen Stammbaum mit den Schimpansen ab, der Bonobo erst danach vor ca. 2,5 Mio Jahren

 

Das Werden der Spezies Mensch wurzelt tief in einer viele Jahrmillionen alten gemeinsamen Entwicklung der Säugetiere.

Über Jahrmillionen organisierten unsere Spezies und die mit uns verwandten Pirmaten ihr Überleben gemeinsam in Horden, die in der überwiegenden Zeit unserer Stammesgeschichte selten mehr als durchschnittlich dreißig Mitglieder zählten. In der langen Zeitspanne unserer Entwicklung waren dabei die vorherrschenden Umweltbedingungen in der Regel ebenso stabil wie günstig, d.h. die meisten unserer Vorfahren hatten, gut angepasst an das Leben in den Bäumen, kaum echte Probleme mit der täglichen Deckung ihres Nahrungsbedarfs und wegen ihrer akrobatisch-athletischen Beherrschung ihres Habitats auch verhältnismäßig wenig Stress mit Fressfeinden.
Eingebettet in eine Umwelt, die aufgrund ihrer perfekten körperlichen Anpassung zunächst über Jahrmillionen hinweg eher wenig Herausforderungen an sie stellte, waren sie die meiste Zeit ihrer Entwicklung mit sich selbst und vor allem der Organisation ihres Zusammenlebens beschäftigt.
In dieser unvorstellbar langen Zeitspanne formten sich, gänzlich ohne Sprache, die grundlegenden sozialen Emotionen, über die das umgängliche Zusammenleben auch größerer Gruppen organisiert und gewährleistet werden konnte. Gleichzeitig entwickelten sich in dieser Phase die kognitiven Kompetenzen, die für ein einvernehmliches Miteinander Voraussetzungen waren. Denn die Erkenntnisfähigkeit jedes Einzelnen musste sich mit der wachsenden Vielfalt, Volatilität wie auch Komplexität der möglichen sozialen Konstellationen angemessen weiterbilden, um die eigenen Möglichkeiten ebenso wie die sehr unterschiedlichen Verhaltensweisen, Strategien und Charaktere der anderen Rudelmitglieder ausreichend einschätzen zu lernen. Nur so konnte man sich einen Platz in der Gemeinschaft sichern und anschlussfähig, d.h. im Rudel bleiben. In der langen Phase ausgedehnter Waldgebiete bedeutete dabei der Ausschluss aus einem Rudel nicht gleich den Tod. Ein allein lebendes Exemplar konnte sich zwar nicht fortplanzen und war den Gefahren des Urwaldes sicherlich mehr ausgesetzt als in einer Gruppe, aber unmöglich war ein Überleben Einzelner außerhalb einer Horde nicht.

Von 5,5 Mio - 1,8 Mio Jahre
Abspaltung vom Stammbaum der Primaten vor ca. 5,5 Mio Jahren
Zeit des Australopithecus, erste Hominiden (habilis, rudolfensis, ergaster)
Alles ohne Sprache

Das änderte sich grundlegend, als die Wälder schwanden und die Savanne sich unaufhaltsam ausdehnte. Die Wahrscheinlichkeit, im neuen Lebensraum außerhalb einer Gruppe einzeln auf sich selbst gestellt den Tod zu finden, wurde zur sicheren Konsequenz. Denn gegen die äußerst effektiven und körperlich hoffnungslos überlegenen Jäger der Savanne war zunächst nur die Wachsamkeit möglichst vieler ein einigermaßen probater Schutz.
Vor allem aber wurde die Nahrungsbeschaffung im neuen Habitat mehr und mehr zu einem organisatorischen Problem, das ein einzelnes Individuum allein auf sich gestellt nicht bewältigen konnte. Sie bekamen eben keine gewaltigen Reißzähne und Klauen sowie eine auf höhere Geschwindigkeiten ausgelegte Statur, mit denen sie auch einzeln schnellere und größere Beute jagen und sich effektiver gegen die mächtigen Raubtiere des Graslandes durchsetzen hätten können. Es blieb bei den vorhandenen körperlichen Voraussetzungen und der vegetationsarmen, dafür aber fleischreichen Struktur des zukünftigen Nahrungsangebots nur die Option einer neuartigen Beschaffungslogistik, die eine kooperative, arbeitsteilige Taktik erforderlich machte.

Überleben konnte ein Individuum von nun an nur noch in der Gemeinschaft mit den anderen. Allein auf sich gestellt war es, ungenügend körperlich gerüstet, dem sichern Tod durch Raubtiere oder Verhungern ausgeliefert. Es waren deshalb das über Jahrmillionen optimierte, tagtägliche soziale Verhaltenstraining und die damit entwickelten kognitiven Kompetenzen, die sich bei der einsetzenden Klimaveränderung als entscheidender Trumpf im Überlebenskampf herausstellten. Die Fähigkeit, ihre soziale Organisation, d.h. ihr kollektives Verhaltensrepertoire auf die neue Situation anpassen und als Gruppe kooperativ darauf reagieren zu können, kompensierte die fehlende Option einer ausreichend schnellen körperlichen "Aufrüstung" und ermöglichte es, den nahrungstechnischen Beschaffungsproblemen wie auch den Konkurrenten und Feinden des sich rapide ausdehnenden neuen Lebensraums Savanne adäquat begegnen zu können.
So mussten zunächst lediglich das Gebiss und der Verdauungstrakt an den höheren Fleischanteil der neuen Ernährungsweise adaptiert werden. Unterschiedlichste Gründe - vor allem wohl bessere Geländeübersicht, längere Ausdauer für die Überwindung größerer Distanzen, weniger Überhitzungsgefahr des Körpers durch weniger von der Sonne erfasste Körperoberfläche, Befreiung der Arme für den Transport - führten dann noch zum aufrechten Gang. Viel mehr Wesentliches veränderte sich an der grundsätzlichen Anatomie jedoch nicht.

Je größer der Druck dann durch das Schwinden der Wälder wurde, desto unerbittlicher wurde die Situation und desto dringlicher die Notwendigkeit, mit entsprechend angepasster Beschaffungslogistik angemessen darauf zu reagieren. Immer öfter mussten sie den Schutz der Bäume verlassen und die Streifzüge ins Grasland aufgrund der geringeren Angebotsdichte der dort spärlicheren Vegetationsvielfalt räumlich stetig weiter ausdehnen. Nicht alle konnten dabei an den gefährlichen Streifzügen teilnehmen, d.h. diejenigen, die sie unternahmen, mussten irgendwie bestimmt werden, losziehen, dabei die anderen verlassen, zurückkommen, dabei möglichst Beute zurückbringen und diese dann auch noch mit den Zurückgebliebenen teilen.
Gleichzeitig waren die Zurückbleibenden während der Abwesenheit der Beschaffungstrupps auf sich allein gestellt und mussten ihr Miteinander untereinander so organisieren, dass die Stabilität der Gruppe insgesamt weiterhin gewährleistet werden konnte. Das bedeutete, dass die grundsätzliche soziale Struktur und Hierarchie auch während der physischen Abwesenheit wesentlicher, in der Regel dominanter Sippenmitglieder aufrechterhalten werden musste. Ansonsten wäre es den Mitgliedern der Patrouillen unmöglich gewesen, die Horde verlassen zu können. Denn wenn sie jedes Mal bei ihrer Rückkehr auf ein Neues um ihren Rang hätten kämpfen müssen und sich ihre Frauen während ihrer Abwesenheit regelmäßig mit den zurückbleibenden Männern gepaart hätten, hätten sie sich sicherlich immer weniger dazu bereit erklärt, sich in den Dienst aller zu stellen und von der Gruppe zu entfernen.
Grundsätzlich änderte sich damit die Organisation der Gruppenkohärenz und Aufrechterhaltung der sozialen Hierarchie. Es musste gewährleistet werden können, dass die etablierte Ordnung, die sicherlich noch in herkömmlicher, sehr körperlicher Auseinandersetzung "erstritten" worden war, auch in Phasen bestehen blieb, in denen wesentliche Mitglieder zeitweise fehlten. Damit wurde eine für die weitere Entwicklung der menschlichen Spezies entscheidende Errungenschaft eingeführt: die Aufrechterhaltung von etablierten Beziehungsstrukturen auch bei längerer Abwesenheit der sie betreffenden Gruppenmitglieder. Physische Abwesenheit von Konkurrenten durfte nicht mehr unmittelbar zum eigenen Vorteil ausgenutzt werden.

Zugleich mussten die Formen vor allem männlicher Kooperation den Umständen angepasst werden. Es ging nicht mehr nur darum, die Machtverhältnisse innerhalb der Horde zu regeln, es ging jetzt um eine effektive Bewältigung der Herausforderungen einer für sie neuen, ungewohnten Umgebung, in der selbst der körperlich Stärkste gegenüber den dort hausenden Jägern hoffnungslos im Nachteil war. Nur gemeinsam konnten sie die Ressourcen der Savanne erfolgreich und nachhaltig erschließen. Eine solche Kooperation oder auch Bereitschaft dazu hatte allerdings ihren Preis. Wer andere in der Erkenntnis, dadurch auch vor allem seine eigenen Überlebenschancen zu verbessern, dazu aufforderte, konnte ihnen im gleichen Zug kaum eine gewisse Umverteilung bisher egoistisch verteidigter Privilegien verwehren.
Sex, d.h. die Gelegenheit zur Reproduktion, wurde zwischen Männern wie Frauen zu einem (ver)handelbaren Regulativ, Nahrung zur Währung. Nur wer dazu in der Lage war, Nahrung zu beschaffen, konnte auf entsprechend honorierte Kopulationsbereitschaft hoffen. Ohne diese fundamentale Erkenntnis bei Frauen wie Männern und deren sehr lebenspraktische Umsetzung hätte unsere Spezies nicht überlebt. Allein konnte indessen keiner der Männer ausreichend Nahrung heranschaffen, nur zusammen mit zumindest einer gewissen Anzahl der anderen. Sie erkannten das, wussten das, genauso wie die Frauen. Körperliche Dominanz bekam damit in der Auseinandersetzung um Rang und Kopulation Konkurrenz durch die Verfügung über ein Tauschmittel und die für seine Beschaffung erforderliche Intelligenz.
Deshalb dürften schon in einer frühen Phase der Menschwerdung auch diejenigen Horden "aussortiert" worden sein, in denen sich "egoistische" Einzelne nur um ihr eigenes Überleben kümmerten und die durch fortgeschrittene Schwangerschaft, Alter sowie anderweitige Gründe eingeschränkt Mobilen ihrem Schicksal überließen oder schlimmer noch, schlicht als eine weitere Nahrungsressource betrachteten und durch Kannibalismus auf direkte Kosten der anderen überdauerten. Ihre Herden wurden durch eigene oder fremde Einwirkung schnell dezimiert, ihre "eigennützige" Überlebensstrategie mit ihrem Ableben und ihrem ausbleibenden Reproduktionserfolg zum Aussterben verdammt.

Die fundamentale Erkenntnis des Aufeinander-Angewiesen-Seins, mithin die überlebenswichtige Bedeutung des Miteinanders sowie die sich daraus ergebende kooperative Überlebensstrategie und die dafür wiederum erforderlichen Verhaltensanpassungen waren nun nur deshalb möglich, weil in den Vorfahren der menschlichen Spezies die grundsätzlichen Strukturen der dafür notwendigen kognitiven Kapazitäten bereits angelegt waren. Ihre Gehirne waren dazu in der Lage, die Komplexität der stattfindenden Umweltveränderungen zu erfassen und die Kompetenzen bereitzustellen, die für deren gemeinschaftliche Bewältigung benötigt wurden.
Im Grunde geschah dabei im evolutionären Prozess eigentlich nichts wirklich Neues. Eine Spezies wurde durch Umweltveränderungen zur Anpassung gezwungen und entsprechend verändert. Der wesentliche Unterschied bestand nur darin, dass die Anpassungsleistung weniger über massive anatomische, sondern sehr viel mehr über kognitive Kompetenzen und eine entsprechend angepasste kollektive Verhaltenskoordination erfolgte. Einmal entdeckt und in Gang gesetzt, entpuppte sich die Anpassung durch erweiterte kognitive Kompetenzen sowie der darauf basierenden Veränderung und Optimierung von Verhaltenskoordination jedoch als Turbo. Schneller als mit jeder körperlichen Adaption konnte damit auf veränderte Umweltbedingungen reagiert und eingegangen werden.
Es folgte dann, was immer geschieht, wenn in der Natur ein überlebensrelevanter Vorteil entdeckt wurde und sich langfristig durchsetzt: die Erweiterung entsprechender Kapazitäten und Kompetenzen wird konsequent vorangetrieben. Es wundert deshalb wenig, dass die den Überlebensvorteil bringenden Gehirnareale der menschlichen Spezies überproportional zu wachsen begannen, so lange, bis die Grenzen der weiblichen Gebäranatomie durch ein nachgeburtlich außerhalb des Mutterleibes stattfindendes Gehirnwachstum endgültig ausgereizt waren.

Vergegenwärtigen wir uns jetzt, dass dieser Prozess der Überlebenssicherung der menschlichen Spezies vor allem durch die Anpassung der sozialen Verhaltenskoordination und Organisation über mehrere Millionen von Jahren gänzlich ohne Sprache im heutigen Sinne stattfand. Die überlebenswichtige Bedeutung des Miteinanders und alle sozialen Erkenntnisse und Verhaltensanpassungen, die unser Überleben als Gattung gewährleistet haben, wurden somit in einer Phase der Menschwerdung entwickelt, in der es das Medium Sprache in der heutigen Ausprägung noch nicht gab, d.h. der überwiegende Teil der körperlichen wie kognitiven Adaption fand gänzlich ohne es statt. Das bedeutet, dass sich unser Gehirn und damit auch unsere kognitiven Fähigkeiten, unsere sozialen Emotionen und Kompetenzen, unsere phylogenetische Überlebensstrategie heranbildeten, bevor in einem sehr späten Stadium - vor vermutlich etwa fünfzigtausend Jahren - die intersubjektive symbolische Repräsentation des realen Universums durch Sprache beim Homo sapiens soweit stabilisiert und gereift war, dass sie ihr "emergentes" Potenzial mehr und mehr entfalten und schließlich zur Plattform der weiteren Entwicklung unserer Spezies werden konnte.
Erst relativ spät in der Entwicklung unserer Spezies also hing das "miteinander überleben" immer mehr von der Fähigkeit zur symbolischen, sprachlichen Repräsentation und damit Sprachkompetenz ab. Einmal entdeckt und umgesetzt, wurde sie für uns jedoch zu dem entscheidenden Medium, mit dem wir unseren Gestaltungsspielraum gegenüber allen anderen Kreaturen unseres Planeten - die Neandertaler eingenommen - soweit auszudehnen in der Lage waren, bis wir alle verdrängen, vernichten und ausrotten sowie unserem kollektiven Überleben als Gattung nur noch selbst zur Gefahr werden konnten und schließlich auch wurden.

Trotz der ungeheueren Potenzierung der Gestaltungskräfte, die die Organisation unseres Miteinanders als Art über die kombinierende Dynamik der sprachlich-virtuellen Dimension erfuhr und obwohl deren Effekte immer mehr auch in die biologisch-physische Sphäre zurückwirken, funktioniert unser "soziales" Gehirn auch heute noch fast ausschließlich ohne Sprache. Unsere innersten Lebens- und Überlebens-Kompetenzen sind in sich autonom, operational geschlossen, gebildet und geformt in Jahrmillionen sprachloser Evolution. In diesem in sich geschlossenen Erkenntnissystem gelten Regeln, auf die wir aus unserer sprachlich konstruierten Existenz heraus keinen Einfluss haben. In ihm operiert ein nach eigenen Gesetzmäßigkeiten handelnder, selbständig lernender und sich dynamisch anpassender neuronaler Regelmechanismus, der die Erfahrungen aller Generationen vor uns mit den aktuellen Umweltbedingungen verknüpft und in ganz eigener Regie unser biologisch-physisches Überleben organisiert.
Dieses neuronal in uns phylogenetisch fest installierte Überlebensprogramm, das wir vermutlich mit dem Begriff "Seele" am besten umschreiben können, nimmt auch noch heute Einfluss auf unser Denken, unsere Entscheidungen, unsere Stimmungen und unser Handeln, regelt unser Miteinander, ohne dass wir in der Mehrzahl der Fälle überhaupt etwas davon mitbekommen, und wenn doch, es in unserem sprachlichen Bewusstsein oft genug nur schwer deuten können.
Das Problem ist, dass unsere Seelen nichts von den Regeln des Miteinanders unserer sprachlich konstruierten sozialen Systeme verstehen. Es fehlt ihnen die Möglichkeit, sie wahrzunehmen. Miteinander überleben basiert für sie immer noch auf den seit Jahrmillionen bewährten Mustern der Gruppenorganisation und Gruppendynamik in direkten physischen Begegnungen. Deshalb ist ihnen auch das Alleinsein ein Gräuel, denn allein überleben ist zwar in unseren sprachlich konstruierten sozialen Systemen, hier vor allem dem marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystem, durchaus möglich und organisierbar, aber unsere Seelen kennen nur das Überleben im unmittelbaren, nach Harmonie und Kooperation strebenden physischen Miteinander und belohnen uns nur dann mit nachhaltigem Glücklichsein, wenn wir ihrem Bedürfnis danach nachkommen.

Von 1,8 Mio - 100 Tsd Jahre
Homo erectus, Homo heidelbergensis und Homo neanderthalensis
Immer noch keine Sprache im heutigen Sinne, aber der Pfad zeichnet sich bereits ab

Vor etwas weniger als zwei Millionen Jahren wurde es wohl richtig Ernst. Der Rückgang der Wälder war so weit fortgeschritten oder beschleunigte sich so stark, dass sie weder als Refugium noch als Nahrungsquelle weiter in Frage kamen. Unsere Vorfahren mussten sich endgültig an ein ausschließliches Leben in der Savanne anpassen. Da gleichzeitig weiterhin wenig realistische Optionen für eine effektive körperliche Adaption an die Bedingungen des Graslandes bestanden, blieb nur der Ausweg, das Manko über eine erneute Steigerung der kognitiven Kompetenzen und sozialen Organisation zu kompensieren. Der Fokus der Anpassung verlagerte sich auf die soziale Dimension, während grundlegende körperliche Adaptionen zum Abschluss kamen und weitere Entwicklungen nur noch dort erfolgten, wo die bereits vorhandenen Kompetenzen oder Kapazitäten verfeinert oder erweitert werden mussten. So war die Anpassung an den aufrechten Gang weit fortgeschritten und der Körperbau dem heutiger Menschen schon sehr ähnlich. Die Größe des Gehirns war bei durchschnittlich neuhundert Kubikzentimeter angelangt und hatte damit das zweifache des ursprünglichen Volumens erreicht.

Die Vorgaben für weitere körperliche Anpassung kamen jetzt nicht mehr unmittelbar aus der Umwelt, sondern aus der Entwicklung der inneren sozialen Organisation der hominiden Horden, mit der sie auf die neuen Umweltbedingungen reagierten. Und dies bedingte größere kognitive und kommunikative Kompetenzen, um die Verhaltenskoordination so organisieren zu können, dass die Gruppe insgesamt überleben konnte. Das Gehirn musste weiter wachsen, um die kognitiven und repräsentativen Kompetenzen zu erweitern. Die vocalen und auditiven Voraussetzungen mussten sich entwickeln, um die erforderlichen kommunikativen Fähigkeiten bereitzustellen. Der Pfad zur Sprache zeichnete sich bereits vor zwei Millionen Jahren ab.

Im Wesentlichen vollbrachten Homo erectus und heidelbergensis in dieser Phase, noch ganz ohne Sprache im heutigen Sinne, kognitive Erkenntnisgewinne und soziale Anpassungsleistungen, die das Überleben unserer Spezies ermöglichten und bis in unsere heutigen Gesellschaften hineinreichen:

- Veränderung des Mobilitätsprofils der Horden
- Erschließung neuer, schwieriger zugänglicher Nahrungsquellen
- Erschaffung der kooperativen Organisation / Arbeitsteilung
- Entwicklung von gruppenoptimaler Nahrungsteilung und Reziprozität
- Reduzierung der Polygamie und Einführung der Monogamie
- Änderung der Nachwuchsbetreuung durch höhere Reproduktionsrate
- Weitergabe von Erfahrungen und Wissen an nachfolgende Generationen
- Erkennen der eigenen und der Bedeutung des Anderen füreinander
- Kollektive Bewältigung der Auswirkungen des Tötens und Getötetwerdens

Veränderung des Mobilitätsprofils der hominiden Horden
Relativ sorgloses Umherstreifen in den Baumkronen des Waldes im relativ losen Verbund einer ganzen Horde war in der Savanne nicht mehr möglich. Zu einfach konnten sie wegen der Staubentwicklung, der Geruchsentwicklung sowie Bewegung vieler Leiber oder dem unvermeidlichen Lärmpegel von den Jägern des Graslandes entdeckt werden. Der Vorteil, den die Gruppe im Falle eines Angriffs bedeuteten konnte, wurde deutlich überwogen durch den Nachteil, in größeren Verbänden erheblich mehr aufzufallen.
Gleichzeitig waren die frühen Hominiden ihren natürlichen Feinden körperlich immer noch hoffnungslos unterlegen. In einer direkten Konfrontation auf offenem Gelände hatten sie gegen ein hungriges und entschlossenes Raubtier ihrer Zeit nicht die geringste Chance. Erschwerend kam dann noch dazu, dass sie in der Dunkelheit den zahlreichen nachts jagenden Raubtieren völlig ausgeliefert waren. War somit das Überleben schon tagsüber nur durch äußerste kollektive Wachsamkeit zu sichern, lauerte ohne die schützenden Bäume in jeder sichtlosen Nacht das tödliche Desaster.
Es blieb nur die Option, die Mobilität der ganzen Horde auf ein Minimum zu reduzieren und Geländeformationen für das tägliche oder nächtliche Lagern aufzusuchen, um eine Entdeckung zu erschweren oder eine besser Verteidigung zu ermöglichen. Die Hominiden suchten Höhlen oder Felsformationen auf, die ihnen wenigstens einen Gewissen Grad an Schutz boten, blieben dort länger und wechselten als ganzer Verband nur noch dann ihren Standort, wenn dessen Umgebung nicht mehr ausreichende Nahrungsreserven bereitstellte.

Erschließung neuer Nahrungsquellen
In der Phase des Homo erectus ging der Wald als Nahrungsquelle endgültig verloren und es blieb nur die Alternative, auf das Angebot der Savanne umzustellen. Allerdings war das kein leichtes Unterfangen, da an pflanzlicher Nahrung eigentlich nur Gras im Überfluss vorhanden war, das aufgrund seiner Nährwerte und Art der Verdauung keine wirkliche Option darstellte.
Zunächst am leichtesten zugänglich waren Früchte, Pflanzen und Knollen, die auch im Grasland vorkamen. Deshalb dürften unsere Vorfahren vorerst diese Quellen für sich erschlossen haben und das Sammeln für lange Zeit die vorherrschende Art der Nahrungsbeschaffung gewesen sein. Jedoch, diese Form der Ernährung hatte ihre Tücken und es konnte deshalb nicht ausschließlich auf sie gebaut werden. Die baumlose Ebene wies nämlich deutlich schwankende, immer mal wieder auch ausbleibende Niederschläge aus, was zu starken Angebotsschwankungen und zeitweise sogar zum Ausbleiben von natürlich nachwachsender Nahrung führte.
Dagegen gab es Fleisch, das ohnehin schon regelmäßig zum Nahrungsrepertoire der Primaten gehörte, im relativen Überfluss. Es bestand dabei für hunderttausende von Jahren nur ein gravierendes Problem: die potenzielle Beute befand sich weit jenseits der "jägerischen" Fähigkeiten der frühen Hominiden. Sie waren körperlich einfach zu schlecht für eine Jagd auf das schnelle und gefährlich wehrhafte Großwild gerüstet, das die Savanne zahlreich bevölkerte. Die einzige Option, die blieb, war auf - aus welchem Grund auch immer - bereits tote Tiere auszuweichen. Unsere Vorfahren wurden zu Aasfressern.

Gleichzeitig veränderte sich das Nahrungsaufnahmeprofil. Das von-der-Hand-in-den-Mund-Leben ging nicht mehr, da Nahrung nicht mehr kontinuierlich sondern nur noch sporadisch vorhanden war. Es musste gesammelt und nicht gleich gefressen, gelagert und strategisch zurückgelegt sowie effizient verteilt werden.
Uns interessiert deshalb weniger, was genau auf dem Speisezettel stand, sondern viel mehr, welche soziale Organisation die Beschaffung und laufende Bereitstellung der neuen Nahrung erforderte. Das war kein gemeinsames Umherziehen mehr, bei dem die eigenen Rudelgenossen die eigentliche Konkurrenz im Verteilungskampf bedeuteten und die etablierte Hierarchie der Horde im Wesentlichen bestimmte, was und wie viel jeder abbekam. Sie konnten nicht einfach zusammen herumstreunen, sich bei geglückter Entdeckung in aller Ruhe um ein totes Beutetier versammeln und dann lautstark untereinander klären, wer an welchem Knochen nagen durfte. Ihre Konkurrenten um diese Art von Beute waren zu mächtig, zu zahlreich und zu gefährlich, eine solche Beschaffungstaktik somit von vornherein unmöglich.
Ebensowenig konnten sie gefundene Früchte- oder Pflanzenbestände einfach kahlfressen und dann locker im ganzen Pulk weiterziehen. Diese Taktik war ebenso zu gefährlich und zu ineffizient. Sie konnten zu leicht von Fressfeinden entdeckt werden und zusammenbleibend viel zu wenig Terrain nach potenzieller Nahrung absuchen. Vielmehr mussten sie, von einer sicheren Basis aus, in kleinen Späh- und Suchtrupps möglichst gut getarnt und unauffällig umherstreifen, entdeckte Nahrungsquellen möglichst unauffällig erschließen und die Beute in ihre Lager transportieren.
Dabei stellte die Beschaffung von Fleisch eine wesentlich größere Herausforderung dar, als das Sammeln in relativer Umgebung des Lagers. Die umherziehenden Herden, die ihren eigenen Anforderungen an Wasser und Futter nachgingen, mussten oft über lange Distanzen hinweg verfolgt werden. Im Falle von gefundener Beute und bei Gelegenheit, d.h. Abwesenheit von Raubtieren oder großen aasfressenden Konkurrenten, galt es dann, blitzschnell alles Verwertbare an sich zu nehmen und wieder hurtig abzutauchen, um nicht selbst zur Beute zu werden. Schließlich musste abgewogen werden, ob entweder der Rücktransport zum Lager oder das Herbeiholen der restlichen Horde die größere Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Verwertung der Beute ergab.

Erschaffung der kooperativen Organisation / Arbeitsteilung
Die Veränderung des unter den Umständen der Savanne möglichen Mobilitätsprofils und die gleichzeitige Notwendigkeit, neuartige und teilweise nur schwer sowie oft unter Lebensgefahr zugängliche Nahrungsquellen erschließen zu müssen, konnte lediglich mit der Einführung einer kooperativen Aufgabenverteilung bewältigt werden.
Es ist heute schwer, sich das ohne Sprache, also ohne bewusstes Sein, vorzustellen. Die Mechanismen, die zu einer überlebensfördernden Arbeitsteilung führten, dürften somit weniger mental "erdacht" worden sein sondern sich mehr im Versuch-und-Irrtum-Stil "ergeben" haben, wobei naturgemäß vorhandene körperliche Vorteile oder Einschränkungen den Prozess steuerten. Deshalb ist es vermutlich in dieser Phase zu einer Aufteilung der Aufgaben gekommen, die zunächst den natürlichen Voraussetzungen der menschlichen Spezies entsprachen und nicht intentional aus abgeleiteten Erkenntnisgewinnen resultierten.

Warum also gingen wohl die Männer auf die Jagd und blieben die Frauen eher, in der näheren Umgebung sammelnd, zurück in den Basislagern? Dafür sprechen vor allem folgende Gründe:
Erstens waren die männlichen Geschöpfe durch den bislang andauernden Konkurrenzkampf um die Frauen körperlich weitaus kräftiger und charakterlich deutlich aggressiver. Sie waren somit physisch wie auch psychisch besser für die kräftezehrenden und gefährlichen Nahrungspatrouillen gerüstet.
Zweitens waren es die Männer, die sich über das Tauschmittel Nahrung die Kopulationsbereitschaft der Frauen "beschaffen" mussten. Dabei war der Wert von in unmittelbarer Umgebung des Lagers gesammelten Speisen, die den Frauen ja auch selbst zugänglich waren, sicherlich sehr viel "weniger Wert", als alles was die Savanne deutlich schwerer bereitstellte.
Drittens war schon in dieser Phase die Erhaltung der Gebärkapazität ein wesentliches Überlebenskriterium für eine Horde . Mit jeder Frau also, die sich der Lebensgefahr der Savanne aussetzte, war die Gebärkapazität der Gruppe unmittelbar bedroht. Ging dagegen ein Mann im Grasland verloren, war das nicht weiter schlimm. Jeder andere konnte "reproduktionstechnisch" an seine Stelle treten.
Viertens waren schwangere Frauen einerseits körperlich schlicht nicht dazu geeignet, an den Streifzügen teilzunehmen. Andererseits hätte sich das Reproduktionsrisiko um das noch ungeborene Wesen verdoppelt. Ebenso waren Frauen mit Neugeborenen sowie noch unselbständigen Kindern weniger abkömmlich. Frauen hätten somit, selbst wenn sie zur Jagd hätten gehen wollen oder sollen, sehr viel weniger Erfahrungen mit den Gefahren und Bedingungen der Savanne sammeln können und wären gegenüber entsprechend trainierten und erprobten männlichen Jägern stets im Nachteil gewesen.

So entstand schon in den ersten Lagern und Höhlen der frühen Hominiden eine erste kulturelle Arbeitsteilung, die in einem ganz natürlichen Prozess den Männern mehrheitlich die Jagd und den Frauen mehrheitlich das Sammeln und Hüten des Lagers nahelegte. Daraus ergab sich dann ebenfalls ganz natürlich eine erste Konzentration und dann auch Spezialisierung auf die jeweiligen Aufgaben.

Entwicklung von gruppenoptimaler Nahrungsteilung und Reziprozität
Grundsätzlich war und ist die Bereitschaft zur Teilung von Beute bei allen sozial lebenden Geschöpfen schon immer vorhanden. In Gruppen, die normalerweise stets zusammenbleibend jagen, wird die Verteilung entsprechend der Rangfolge deren Mitglieder geregelt. Der Ranghöchste frisst zurerst und nach und nach folgen entsprechend der etablierten Hierarchie alle anderen.

Diese Art der Nahrungsteilung kann jedoch nur dann aufrechterhalten werden, wenn die Horden auch zusammenbleibend unterwegs sein und jagen können. Sobald aber nur Teile der Gruppe in kleineren Trupps in teilweise weit auseinander liegenden Regionen auf Streifzug gehen wird diese Lösung des Verteilungsproblems prekär, denn der Jagderfolg der verschiedenen Patrouillen konnte sehr unterschiedlich ausfallen.
Die Lösung ergab sich aus der urwüchsigen Optimierung und Verstärkung einer gruppendynamischen Neigung, die ebenfalls in unterschiedlichen Ausprägungen in allen sozial lebenden Rudeln zu beobachten ist: die Reziprozität. Wer heute viel Beute gemacht hatte gab davon denen, die weniger Glück hatten, in dem Wissen etwas ab, dass es morgen bereits umgekehrt sein könnte.

Reduzierung der Polygamie und Einführung der Monogamie
Eine der wesentlichsten sozialen Errungenschaften der Menschwerdung dürfte der Übergang von der zunächst vorherrschenden Polygamie zur Monogamie gewesen sein. Im Allgemeinen wird dieser Vorgang an dem geringeren Dimorphismus festgemacht, das heißt dem seit den frühen Hominiden abnehmenden Größenunterschied zwischen Frauen und Männern. Man geht davon aus, dass der Konkurrenzkampf unter den Männern um die Frauen aufgrund der monogameren Verbindungen zurückging und sie deshalb körperlich "abrüsten" konnten.

Die Gründe, die diesen Prozess einleiteten, waren ebenfalls weniger "bewusste" Erkenntnisse, sondern "urwüchsige" Prozesse. Die Notwendigkeit, dass die fähigsten Männer auf Nahrungsstreifzüge gehen und die Horde dabei über unterschiedlich lange Phasen verlassen mussten, dürfte die treibende Kraft dahinter gewesen sein.
Denn einerseits wäre es den patrouillentauglichen Männern schwer gefallen, sich für längere Zeit von der Gruppe zu entfernen, wenn deren Frau(en) dann gleich wiederholt mit den Zurückbleibenden kopuliert hätten. Andererseits, wenn sie eine Untreue nach ihrer Rückkehr entdeckt hätten - ist der Geruch des Ejakulats deshalb so intensiv? -, hätten sie den Untreuen wie auch ihren Nebenbuhlern den Zugang zur beigeschafften Beute einfach verweigern können. So hatten die in den Lagern zurückbleibenden Frauen wie Männer ein elementares Interesse daran, einmal etablierte Beziehungen und damit weitestgehende Reproduktionssicherheit zu respektieren. Ansonsten hätten sie sich langfristig selbst von einer immer wichtigeren Nahrungsversorgung abgeschnitten.
Verbündete in diesem Streit um Reproduktionskontrolle dürften die älteren Hordenmitglieder gewesen sein. Sie konnten sich als Informanten und Wahrer der etablierten Ordnung ihren Teil an der eingebrachten Beute sichern, und die Rolle des Mannes als Versorger und "privilegierter" Nahrungslieferant begann sich schon in dieser frühen Phase der Menschwerdung zu etablieren. Rollenbilder formten sich, die auch noch heute tief in uns verwurzelt sind.

Die Verfügung über das Tauschmittel Nahrung war mithin der ausschlaggebende Pfand, der den Zugang zu den Schößen der davon abhängigen Frauen öffnete und Konkurrenten auf Distanz hielt. Damit war der Antrieb für die männlichen Mitglieder der Horde groß, selbst an den Beutezügen teilzunehmen und möglichst viel davon einzubringen, da sie sich nur so eine gute eigene Chance auf Reproduktion verschaffen und aus der Abhängigkeit anderer Männer lösen konnten. Gleichzeitig wurde schon in dieser langen, wohl bemerkt sprachlosen Phase der Menschwerdung in weiblichen wie männlichen Gehirnen ein Überlebens-Prinzip zu einer neuronal fest programmierten Veranlagung verankert, das in der heutigen Form der Prostitution immer noch funktioniert und praktiziert wird: weibliche Bereitschaft zum Koitus gegen männliche Bezahlung.
Die Tendenz zu einem geringeren Dimorphismus und einer geringeren Polygamie wurden dann wohl durch die Tatsache gefördert, dass die ergiebigste Nahrungsquelle der Savanne - lebende Tiere in riesigen Herden und allen Größen - nur kooperativ zu erlegen und gegen die tierischen Rivalen zu sichern waren. Die gegenseitige Abhängigkeit während der gemeinsamen Jagd förderte einerseits das Zusammengehörigkeitsgefühl der Männer, was den Konkurrenzkampf um die Frauen sicherlich schon dämpfte. Andererseits war eine wiederholte gemeinsame Jagd überhaupt nur dann möglich, wenn auch die anschließende Verteilung der Beute entsprechend gerecht erfolgte. Ein Anteil an der Beute wiederum, und nicht mehr körperliche Dominanz, war gleichbedeutend mit der Verfügung über dasjenige "Faustpfand", das den Zugang zu den Frauen verschaffte. Die Männer konnten leiblich "abrüsten", da nicht mehr körperliche Dominanz und Konkurrenz ihr Verhältnis untereinander und zu ihren Frauen bestimmte, sondern ihr Anteil an nur gemeinsam zugänglicher Beute, deren Erlegung teils ganz andere körperliche Anforderungen wie Intelligenz, Ausdauer und Schnelligkeit an sie stellte.
Die Etablierung und Stabilisierung der Monogamie war dann vermutlich ein Ergebnis der durch die verbesserte gemeinsame Jagdorganisation zunehmenden Beutemenge und Verteilungsgerechtigkeit. Die Männer mussten ihre bereits konstituierte Reproduktionskontrolle in überschaubaren und kontrollierbaren Paarungsbeziehungen weiter absichern, da jetzt jeder von ihnen über ausreichende Mittel zur Erzeugung von Kopulationsbereitschaft verfügte.
Die polygame Despotie eines dominanten und seine Privilegien egoistisch mit körperlicher Gewalt gegen Konkurrenten und Frauen durchsetzenden Rudelführers ging über in eine unter den Männern ausgehandelte monogame Despotie der dualen Beziehung, mit der sie ihre Reproduktionskontrolle durch rigorose Überwachung und Beherrschung ihrer Frauen durchzusetzen begannen.

Jedoch, die Natur wehrte sich dagegen, die Reproduktionskontrolle ausschließlich in die Hände des männlichen Geschlechts zu geben. Die Scham der Frauen verschwand zwischen ihren Beinen und ihre fruchtbaren Tage wurden verschleiert, womit sie wieder etwas mehr Einfluss darauf erhielten, mit wem sie ihren Nachwuchs zeugen wollten.
Ein Dilemma für die Männer, das ihnen in der weiteren Geschichte der menschlichen Spezies noch schwer zu schaffen machte und sie in der aufkommenden Verrohung durch das beginnende Töten und Getötetwerden zu Initiativen verleitete, die zu einer weitgehenden Unterdrückung des weiblichen Geschlechts vor allem auch in deren Funktions- und Rollendefinitionen in der aufkeimenden sprachlich-virtuellen Dimension führte.

Änderung der Nachwuchsbetreuung durch höhere Reproduktionsrate
Das Leben unter den bis dato ungewohnten Bedingungen der Savanne wurde nicht nur schwieriger, sondern auch wesentlich verlustreicher. Der Tod durch Hunger, Erschöpfung, Krankheiten und Raubtiere nahm unter den Erwachsenen wie auch Kindern enorm zu. Der Aderlass konnte nur durch eine Steigerung der Reproduktionsrate kompensiert werden. Die übliche Antwort der Natur war eine stetige Erhöhung der Fruchtbarkeit der Frauen, bis sie schließlich sofort nach der Geburt wieder empfänglich wurden.

Für die soziale Organisation brachte dies mit sich, dass zur gleichen Zeit viel mehr Neugeborene, Kleinstkinder und Jugendliche als bisher üblich zu betreuen und zu versorgen waren. Gleichzeitig wurde die Mobilität der Horden dadurch noch weiter eingeschränkt und die Tendenz zur Sesshaftigkeit verstärkt. Wann immer es das Nahrungsangebot möglich machte, blieben die Gruppen an einem Ort.

Damit veränderte sich auch die soziale Bedeutung älterer Hordenmitglieder, die in der Betreuung der zahlreicheren Kinder eine neue Daseinsberechtigung für sich erwirken konnten.

Weitergabe von Erfahrungen und Wissen an nachfolgende Generationen
- Erziehung der Jüngeren bei gleichzeitiger häufigerer Abwesenheit der Erwachsenen?
- Je älter, je erfahrener, je mehr Wissen kann weitergegeben werden?
- Eine weitere Nische für die Alten?
- Schnelligkeit ist Trumpf, beim Ausgraben von Knollen wie auch dem Abtrennen von transportablen Portionen an Fleisch.
- der schwierige Zugang zu Knollen etc. ergibt den ersten Einsatz von primitiven Steinwerkzeugen
- später dann auch Einsatz von Steinwerkzeug zum Abtrennen von Fleisch von toten Tieren. Es musste schnell gehen und die Portionen mussten transportabel sein.

Dir zentrale Rolle der Erfahrungsübertragung auf nachfolgende Generationen in der Sicherung der eigenen Art ist bei all denjenigen Spezies offenkundig, die ihren Nachwuchs betreuen und bis zu einer gewissen Reife bringen müssen. Es ist zwingend logisch, dass es Vorteile bringt, wenn überlebensrelevante Erkenntnisse und darauf basierende Fähigkeiten nicht in jeder Generation im Zufallsprozess einer wiederholten "Erstentdeckung" ständig aufs Neue entstehen. Weder könnte sichergestellt werden, dass sich diese Erkenntnisse immer wieder "urwüchsig" ergeben würden, noch wäre eine von Jahrgang zu Jahrgang weitere Verbesserung und Verfeinerung der einmal erworbenen Fähigkeiten möglich. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die Neigung zur Nachahmung in all denjenigen Wesen, deren Überlebenschancen sich durch die Übernahme bereits gemachter und erprobter Fertigkeiten stark erhöhen, enorm ausgeprägt ist.

Vormachen-Nachmachen hat jedoch einen entscheidenden Nachteil:
- langsam und an physische Anwesenheit gebunden
- kein gemeinsames "Sinnieren" über mögliche Verbesserungen, jeder kann zunächst nur für sich selbst "vorankommen"
- keine einfache Übertragung von aus Beobachtungen erworbenen Erkenntnissen, die das Verhalten relevanter kontemporärer Geschöpfe (Raubtiere und Beutetiere) betreffen!!

- Erfahrung versus Wissen: Unterschiede in der Übertragung von Information

Erkennen der eigenen und der Bedeutung des Anderen füreinander
- Wie wurde damit umgegangen, wenn die Trupps von ihren Streifzügen teilweise oder komplett nicht mehr zurückkehrten? Entstand daraus "banges Warten", "Sehnsucht", "Trauer"?
- wie wurde mit gewalttätigen, potenziell tödlichen Auseinandersetzungen innerhalb der Gruppe umgegangen? Die Verknappung der Nahrungsquellen dürfte zu erheblichen inneren Konflikten in den Horden geführt haben. Wie wurden sie gelöst? Gab es einen erbitterten Kampf aller gegen alle, in dem die Schwächeren auf der Strecke blieben? Wann kam die Erkenntnis, und wie trat sie ein, dass sie durch Kooperation langfristig bessere Überlebenschancen besaßen als durch bedingungslose, kraftraubende und tödliche Konkurrenz? Wann und wie also wurde ihnen klar, dass eine im Streit um Nahrung fortlaufend selbst initiierte Dezimierung des Rudels nur kurzfristige Vorteile für die Überlebenden einbrachte und diese Strategie über kurz oder lang unweigerlich alle ins Verderben führen würde?
- Entwickelte sich daraus ein Bewusstsein, was man selbst für die Anderen und die Anderen für einen selbst bedeutete(n)?
- Entwickelte sich daraus das Vertrauen zueinander, ohne das unsere Spezies sicherlich nicht überlebt hätte?
- Entwickelte sich daraus aber auch schon eine Wahrnehmung, die zu einer unterschiedlichen Bewertung der Bedeutung des männlichen und weiblichen Geschlechts führte, die noch heute überwiegend vorherrscht?

Kollektive Bewältigung der Auswirkungen des Tötens und Getötetwerdens
- was wird aus dem Weltbild von Geschöpfen, die - Beute und Feinde - töten müssen oder töten, gleichzeitig selbst der Gefahr des Getötetwerdens laufend ausgesetzt sind, um zu überleben?
- was wird aus dem Weltbild von Geschöpfen, deren Überleben davon abhängt, dass andere für sie töten und dabei oft genug selbst getötet werden können?

 

Was schließlich bedeutete diese enorme Veränderung der Verhaltensformen und Verhaltenskoordination für die kognitive und kommunikative Kompetenz dieser Wesen?
Was für eine Art von Bewusstsein und Protosprache musste zumindest ausgebildet worden sein, um die stetig komplexer werdende soziale Organisation und die daraus resultierenden kooperativen sowie kommunikativen Anforderungen ihrer neuen Lebensweise bewältigen zu können?

Auf jeden Fall wurden bereits in dieser Phase des Homo erectus und heidelbergensis diejenigen sozialen Verhalts- und Beziehungsformen entwickelt, die auch noch unsere heutigen Gesellschaften durchdringen und ausmachen. Ohne Sprache, wie wir sie heute kennen, somit auch ohne ein sprachliches Bewusstsein im heutigen Sinne.

Von vor 100 Tsd Jahren bis Heute
Homo neandertalensis stirbt aus, der Homo sapiens dehnt sich über den Planeten aus

 

Die menschliche Seele
- Phylogenetischer Überlebens-Fundus der menschlichen Spezies -

Folgen wir der Argumentation, dass irdisches Leben erstens einen gemeinsamen Ursprung hat und komplexere Geschöpfe nach und nach aus weniger komplexen Vorgängern hervorgegangen sind, sowie zweitens bewährte Überlebenspraktiken stets in die nachfolgenden Generationen übernommen und auch in getrennten Gattungsentwicklungen beibehalten wurden, dann reichen die phylogenetischen Überlebenserfahrungen einer jeden einzelnen Spezies stets bis in diejenige Phase zurück, als heute getrennt verlaufende Entwicklungslinien noch gemeinsam verliefen.
Alle heute lebenden Kreaturen hätten somit einen gemeinsamen Fundus an bewährten Überlebenstechniken, der sich umso ähnlicher gestaltet, je weniger die Trennung der gemeinsamen Entwicklungsphase zurückliegt und je mehr die individuelle Entwicklung einer Spezies auf gemeinsame Grundlagen zurückgreift.

Folgen wir weiter der Argumentation, dass die phylogenetischen Überlebenserfahrungen einer Spezies durch emotionale Verhaltensdispositionen genetisch von Generation zu Generation weitergereicht und dann durch ontogenetische Erfahrungen geprägt werden, sowie diese emotionalen Prozesse autonom in einem autopoietischen Neuronennetzwerk verwaltet und gestaltet werden und wir dieses Gehirnsystem in der Sprache die "seelische" Instanz oder "Seele" nennen, reichen die Wurzeln unserer seelischen Kompetenzen weit in die gemeinsame Phase höher entwickelter Wirbeltiere zurück.

Vernünftigerweise - selbst wenn wir im Laufe unserer Reise noch wiederholt feststellen werden, dass Vernunft nur in der sprachlich-virtuellen Dimension existiert und eines der Medien der Wirklichkeitskonstruktion der sprachlichen Gehirn-Instanz Geist ist -, können wir auf der Basis der aktuellsten neurophysiologischen Erkenntnisse kaum daran zweifeln, dass die Vorgänge und Erscheinungen, die wir im allgemeinen mit dem Begriff Seele umschreiben, sich in unseren Gehirnen abspielen und dort auch manifestieren müssen. Sie scheinen nur deshalb so losgelöst von unserem in der Sprache repräsentierten Sein zu sein, weil unser sich allmächtig dünkender Geist ihre Entstehung und Dynamik und seinen eingeschränkten Einfluss darauf nicht "begreifen" kann.

Gehen wir nun einmal davon aus, dass seelische Prozesse in einem autopoietischen Neuronennetzwerk entstehen, dessen innere, autonome Dynamik auf der Basis phylogenetisch stabilisierter Erfahrungswerte durch ontogenetische Ereignisse geprägt wird und dann gänzlich ohne Sprache seiner eigenen Erfahrungsgeschichte folgt, lässt sich die erstaunliche Eigengesetzlichkeit seelischer Prozesse durchaus nachvollziehen.

Gehen wir weiter davon aus, dass wir einen Großteil der phylogenetischen Erfahrungswerte, die in unseren menschlichen Gehirnen wirken, mit allen anderen, über komplexere Gehirne verfügenden Kreaturen teilen, eröffnet sich ein nichtsprachliches, gemeinschaftliches Assoziationsspektrum, das gegenseitiges Verstehen und darauf aufbauende Verhaltenskoordination ermöglicht. Es sind schließlich dieselben über Emotionen von Generation zu Generation übermittelten Verhaltensdispositionen, die über Jahrmilliarden in allen Kreaturen gleichermaßen entstanden sind und deren Überleben ermöglicht haben. Unsere seelische Instanzen synchronisieren sich ganz ohne Sprache und vermitteln uns die Handlungsrichtlinien, die ein aufeinander bezogenes Verhalten gestalten.
Mensch und Tier koordinieren sich somit keineswegs über Sprache, auch wenn das so manchem Zeitgenossen so erscheint. Vielmehr erfolgt die gegenseitige Verhaltenskoordination über basale emotionale Prozesse, über die die beteiligten Kreaturen ihre gegenseitigen Absichten "assoziieren" können.

Das würde bedeuten, dass auch zwischen zwei oder mehreren Menschen auf der seelischen Ebene Kommunikationsprozesse laufen, die sich gänzlich außerhalb der Sprache in ihren jeweiligen autonomen seelischen Neuronennetzwerken aufeinander beziehen und autonom synchronisieren.

Den beteiligten geistlich-sprachlichen Instanzen bleibt nur, dies zu beobachten und in den Sinnkonstruktionen der Sprache zu deuten und einem geistigen Diskurs zugänglich zu machen. Einen unmittelbaren Einfluss darauf hätten sie nicht.

Ich möchte deshalb mit den folgenden Thesen eine Erklärung versuchen:

1. Der Begriff "Seele" umschreibt neuronale Prozesse, die sich im Körper durch Emotionen manifestieren

2. Diese neuronalen Prozesse laufen in autopoietischen Neuronennetzwerken ab, die auf der Basis ihrer ganz eigenen, über Jahrmilliarden stabilisierten inneren sensomotorischen Korrelationsmuster und Dynamik eine ganz eigene, nichtsprachliche Wirklichkeitskonstruktion erzeugen

3. Der generelle Fundus an überlebensrelevanten emotionalen Reaktionsmustern ist in allen Geschöpfen angelegt

4. Eine Verhaltenskoordination zwischen Mensch und Tier erfolgt auf der Basis gleicher seelisch-emotionaler Steuerung

Die Anwendung und Integration der phylogenetischen Überlebenserfahrungen einer Spezies in die ontogenetische Entwicklung eines spezifischen Lebewesens erfolgt über seelische Prozesse.

Das was wir Menschen in der Sprache Seele nennen, ist der jedem einzelnen Geschöpf über Emotionen vermittelte Überlebens-Fundus einer jeden Spezies. Über Emotionen werden jeder jeweils lebenden Generation diejenigen Verhaltensdispositionen bereitgestellt, die im tagtäglichen Überlebenskampf in Jahrmilliarden langer irdischer Evolution erprobt worden waren und die sich seit Anbeginn komplexeren Lebens bewährt hatten.

Die menschliche Seele unterscheidet sich dabei nur wenig von denen der anderen komplexeren und in sozialen Verbänden lebenden Geschöpfe. Es sind grundsätzlich dieselben Emotionen, die sich über evolutionäre Zeiträume in ihr etabliert hatten.

Deshalb ist es dem Menschen auch heute noch möglich, mit den anderen Geschöpfen über gleichgerichtete seelische Prozesse zu kommunizieren. Wenn manch ein Tierbesitzer auch glaubt, dass sein tierischer Begleiter seine Sprache versteht, sind es vielmehr die seelischen Instanzen ihrer Gehirne, die eine emotionale Verbindung ermöglichen. Nicht der Geist mit seiner Sprache ist es, sondern die Seele mit ihren Emotionen, die die Brücke schlägt.

Aber eine Emotion wurde bei den Menschen durch ihre ganz spezifische Phylogenese besonders ausgeprägt: die Bindung an ihresgleichen. Denn in der Phase der Menschwerdung war es das Aufeinanderangewiesensein, das für das Überleben jedes Einzelnen absolute Bedeutung hatte. Mehr als jede andere Spezies ist deshalb die menschliche Seele davon abhängig, Zuwendung zu geben und Zuwendung zu erhalten.

Die Seele des Menschen wurzelt nicht nur tief in der Phylogenese seiner eigenen Spezies, sondern auch in der Phylogenese sämtlicher Kreaturen, aus denen das menschliche Geschlecht hervorgegangen ist.
In diesem Fundus gemeinsamer Überlebenserfahrung, die in vollständig von den sprachlichen Instanzen getrennten autonomen, autopoietischen Neuronennetzwerken verwaltet werden, liegt der Code, der gelingende nichtsprachliche Verhaltenskoordination zwischen den Menschen untereinander und seinen mehr oder weniger weit entfernten tierischen Verwandten einerseits überhaupt möglich macht und andererseits nach eigenständigen Kriterien beeinflusst.
 
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