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Der magische Moment
Der Funke, der die von da an epigenetisch vorangetriebene Co-Evolution von Sprache und Gehirn zündete*

Die vermutlich hominiden Wesen konnten die weitreichende Konsequenz ihres Tuns nicht ahnen. Es war im Nachhinein betrachtet ein ungeheuer magischer Moment, als sie zum ersten Mal über die Bedeutung eines Zeichens oder Lauts verhandelt und damit das erste Symbol intersubjektiver Verständigung hergestellt haben.

Diese erste Verständigung über die Bedeutung eines Symbols legte den Grundstein für die von Terrence Deacon beschriebene Co-Evolution von Gehirn und Sprache. Denn mit dieser ersten intersubjektiven Übereinkunft nahm die symbolische Erschließung des phänomenal wahrgenommenen äußeren und körperinneren Universums seinen Anfang. Jede weitere Verständigung, jedes weitere intersubjektiv vereinbarte Symbol und die entstehende sprachlich-symbolische Konstruktion von Sinn benötigte in den beteiligten Wesen vor allem neuronale, aber auch weitere physiologische Kapazitäten, die keiner genetischen Mutation bedurften. Epigenetische Prozesse und vor allem die von Terrence Deacon beschriebenen Anpassungsleistungen der Gehirne an die Anforderungen der jeweiligen Lebensum- sowie Körperzustände reichten aus, um den Umbau sowie vor allem Ausbau des hominiden Gehirns voranzutreiben. Denn der reale Kosmos hielt einen unerschöpflichen Vorrat an Objekten und Vorgängen bereit, die intersubjektiver symbolischer Bedeutungszuweisung und Sinnkonstruktion zugänglich waren und unter den sich entwickelnden Lebensumständen unserer Vorfahren auch dringend bedurften.

Mit jeder Verhandlung, mit jeder Übereinkunft, mit jedem intersubjektiv addierten Symbol und jeder neuen Sinnkonstruktion wuchsen die Anforderungen an die neuronalen Gehirn-Instanzen und physiologischen oral-gestikular-auditiven Kompetenzen, diese zu verarbeiten, zu erinnern und in Zusammenhang mit den zuvor vereinbarten zu setzen, sie für die entstehende Kommunikation bereitzuhalten und deren Nutzung zu ermöglichen. Ein zyklischer Prozess kam in Gang: mit jedem hinzugefügten Symbol und jeder zusätzlichen intersubjektiven Sinnkonstruktion erweiterten sich die entsprechend erforderlichen neuronalen Kapazitäten, mit jeder Erweiterung sprachlich-symbolischer Gehirnkapazitäten wuchs das Potenzial für höhere sprachlich-symbolische Komplexitätsbewältigung.

Aber am Anfang war dieser magische Moment der ersten Verhandlung, der ersten Übereinkunft, der ersten intersubjektiv zugewiesenen Bedeutung und damit der ersten Konstituierung eines kommunikativen Symbols und der darauf folgenden ersten intersubjektiv etablierten sprachlich-symbolischen Konstruktion von Sinn.

Unter dem Druck des veränderten Lebensraums kam dann eine Entwicklung in Gang, mit der die entstehende menschliche Spezies der real-existierenden eine sprachlich-symbolische Dimension hinzufügte. Diese sprachlich-symbolische Dimension hatte wohl einen mühsamen Start und dann eine zähe und langsame Ausdehnung erfahren. Jedoch vor einigen zehntausend Jahren nahm deren Expansion Fahrt auf, die sich noch heute ungebremst weiter beschleunigt.

Inzwischen hat die menschliche Spezies ein symbolisch-mediales Parallel-Universum geschaffen, in dem sie die Orientierung zu verlieren und dabei in einer "Pfütze eingebildeten Wissens" zu ertrinken droht.

* Terrence W. Deacon: The Symbolic Species, W.W.Norton and Company, New York - London, 1997

The "missing link"
Seit Jahrtausenden rätseln wir Menschen darüber, wie ein vermeintlich "immaterieller" Geist auf Materielles einwirken könnte.

Wir verkennen dabei, dass das, was wir den menschlichen Geist nennen, das Materielle nie verlassen hat und selbst tief in den neuronalen Netzen menschlicher Gehirne verankert ist.
Was den menschlichen Geist letztendlich konstituiert, sind eindeutig materielle neuronale Netze, in denen die intersubjektiv vereinbarten Bedeutungszuweisungen erlernt, erzeugt, vorgehalten, erinnert und konstruiert werden, durch die Laute und Zeichen zu symbolischen Medien der zwischenmenschlichen Kommunikation werden. Was also als Immaterielles erscheint, sind nur die Symbole, die durch diesen Prozess entstehen. Dagegen ist die neuronale Basis, aus der heraus diese Symbole im intersubjektiven Prozess Bedeutung zugewiesen bekommen und erzeugt werden, unzweifelhaft materieller Natur.
Der menschliche Geist ist somit immer in neuronalen Netzen seiner Gehirne physisch verankert gewesen und hat damit jeher in einer direkten materiell fundierten Verbindung mit allen anderen neuronalen Netzen gestanden. Es wirkt keine immaterielle auf materielle Substanz ein, sondern es besteht und bestand schon immer eine unmittelbare materielle Verbindung.
Das was uns Menschen als immateriell am Geist erscheint, die aus den Bedeutungszuweisungen entstehenden Symbole intersubjektiver Verständigung, haben damit eine direkte materielle Basis in den neuronalen Netzen, in denen diese Bedeutungszuweisungen konstituiert werden.

Es gibt und gab nie eine den menschlichen Geist betreffende Lücke zwischen Immateriellem und Materiellem!
MENSCH - SEIN
SEIN und SINN - Unterschiedliche Dimensionen menschlicher Existenz
Die menschliche Existenz konstituiert und manifestiert sich im Wesentlichen in zwei ganz unterschiedlichen Dimensionen, der physisch-biologischen und der sprachlich-symbolischen.
Die physisch-biologische ist die kosmische Dimension der Geschöpfe, in der alles Lebende existiert. Diese Dimension kennt keine Zeit und keinen Sinn. Alles was geschieht, geschieht zufallsgetrieben und ohne erklärten Zweck und definiertes Ziel.
Die sprachlich-symbolische ist die Dimension der Personenkonstrukte, zu der nur der Mensch über Sprache Zugang hat. Nur in dieser Dimension gibt es Zeit und Sinn, über die die Verhaltenskoordination in den sozialen Systemen der menschlichen Spezies stattfindet.

In unserer Wahrnehmung scheinen diese Dimensionen unmittelbar miteinander verwoben zu sein. Wir können nur schwer zwischen unserem Geschöpfsein und unserem Personsein unterscheiden. In der Realität sind das jedoch vollständig voneinander getrennte Ausprägungen menschlicher Existenz.

Sie scheinen uns so nahe beieinanderliegend, weil sie in unseren Gehirnen in einer Art und Weise repräsentiert werden, dass uns der fundamentale Unterschied nicht unmittelbar auffällt. Und doch stehen sich da autopoietische, selbstreferenziell geschlossene neuronale Netze gegenüber, die nur strukturell miteinander gekoppelt sind und in ihrer jeweiligen Dimension mit großer Autonomie das bestimmen, was wahrgenommen und als wesentlich konstituiert wird.

Wir sind Geschöpf und Person, und realisieren leider viel zu wenig, wie sehr sich diese beiden Dimensionen menschlicher Existenz voneinander unterscheiden. Die eine ist verankert in der kosmischen Dimension des Seins an sich, die andere in der rein symbolischen Dimension der menschlichen Sprache, in der sich Sinn und Zeit konstituieren.

Würden wir mehr erkennen, dass unser Geschöpfsein letztendlich den Gang unseres Schicksals bestimmt, könnten wir unser Personsein besser darauf ausrichten und auch weniger wichtig nehmen. Nicht was wir als Person in der sprachlich-symbolischen Dimension repräsentieren bestimmt am Ende unser Wohlempfinden und Glücklichsein. Es ist der Zustand unseres Geschöpfseins, der alles bedeutet.
Der menschliche Geist erkennt und deutet nur neuronale Signalmuster
Der menschliche Geist erkennt und deutet nur neuronale Signalmuster, die ihm von den Gehirnarealen und Netzwerken dargeboten werden, die die primären neuronalen Repräsentationen körperäußerer und körperinnerer Umweltzustände und Umweltphänomene konstituieren.
Der menschliche Geist weist dann diesen neuronalen Signalmustern nur die sprachlich-symbolischen Bedeutungszuweisungen zu, die sich in den Sprachen entwickelt und transgenerational stabilisiert haben. In diesem Sprachentwicklungsprozess wurden Laute und Zeichen in einem intersubjektiven Prozess der Übereinkunft zu symbolischen Medien der Kommunikation.

Eingeschlossen in sein autopoietisch geschlossenes, selbstreferenzielles neuronales Netz ist der menschliche Geist somit nicht weniger, aber eben auch nicht mehr, als die Verwaltungsinstanz der symbolischen Bedeutungszuweisungen, die sich in den menschlichen Sprachen gebildet und transgenerational stabilisiert haben.

Die Kommunikation zwischen dem menschlichen Geist auf der einen und der Seele sowie dem Körper auf der anderen verläuft somit zwischen autopoietisch-selbstreferenziell geschlossenen neuronalen Netzen, die sich nur gegenseitig perturbieren, jedoch nicht determinieren können. Dies erklärt die große Autonomie der jeweiligen Dimensionen menschlicher Erkenntnisfähigkeit und darauf aufbauender Verhaltenssteuerung.

In dem, was wir die Seele nennen, konstituieren sich dabei die gesamten Überlebenserfahrungen einer Spezies, die über Emotionen (Körperzustände, die der Geist als Gefühle sprachlich-symbolisch codiert) an die jeweils lebende Generation vermittelt werden. Das erklärt die Macht dieser neuronalen Instanz auf unseren Körper und unser Verhalten. Denn was sich über Jahrmillionen als physisch-biologische Überlebensstrategie bewährt hatte, konnte selbst in der Generationenfolge der letzten zehntausend Jahre nur marginal verändert und an die sich - vor allem wirtschaftlich und politisch schnell verändernden - Lebensumstände angepasst werden.
Existiert das, was wir die Zeit nennen,
nur in der sprachlich-symbolischen Dimension der menschlichen Spezies?
In Gehirnen, die über die Fähigkeit zur phänomenalen Erinnerung hinaus in einem intersubjektiven und transgenerationalen Prozess eine sprachlich-symbolische Dimension mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erfunden haben?
Ist damit die Zeitlichkeit der menschlichen Existenz nur eine geistige Ausdehnung, wie schon Augustinus von Hippo bange mutmaßte?

Wenn dem so wäre, findet unsere reale Existenz vielleicht nur im absoluten Jetzt kosmischer Genese statt? Alles andere, wie Vergangenheit und Zukunft, wären dann lediglich symbolische Projektionen ohne jegliche Gewissheit, dass es so war wie rekonstruiert oder so wird wie prognostiziert.

Wir wären zeitlose Wesen, wie alle anderen, nur dazu da, um ein Glied in der Kette biologischer Evolution zu bilden. Alles von uns Dazugedachte wäre lediglich ein mehr oder weniger schöner, äußerst flüchtiger Schein von Zeitlichkeit, existent nur in unseren zur symbolischen Erinnerung fähigen Gehirnen.
Die autopoietische Kluft
Es gibt eine kleine Kluft, so klein, dass wir sie anscheinend noch nicht erkennen.

Es ist, in jedem menschlichen Gehirn, die Kluft zwischen autopoietischen, selbstreferenziellen neuronalen Systemen, in denen sich jeweils auch das konstituiert und manifestiert, was wir in der Sprache Geist und Seele eines Menschen nennen.

Die Wirklichkeit der einen basiert auf den phänomenalen Repräsentationen und neuronalen Rekonstruktionen die sich aus den korrelativen Aktionspotentialen und Rückmeldungen von motorischen und sensorischen Arealen und Organen eines Lebewesens erschließen lässt. Dort wohnt auch die Seele eines jeden Lebewesens.

Die Wirklichkeit des anderen basiert auf den neuronalen Repräsentationen der zuvor genannten und bezieht darauf die sprachlich-symbolischen Bedeutungszuweisungen, die sich in der menschlichen Spezies intersubjektiv entwickelt haben. Dort wohnt der Geist eines jeden Menschen.
Der menschliche Geist ist nicht weniger, aber eben auch nicht mehr als ein emergenter Bewusstseinszustand, der sich im neuronalen Korrelat der menschlichen Sprache konstituiert.

Seit Jahrtausenden verkennen wir vielleicht etwas. Es ist nicht der Geist, der fühlt, sieht, riecht, hört und empfindet (Schmerz z.B.). Eingeschlossen in seinem selbstreferenziellen neuronalen, die Bedeutung sprachlicher Symbole verwaltenden Netz interpretiert er nur die Regungen oder Perturbationen derjenigen Neuronennetze, die diese äußeren und inneren körperlichen Zustände neuronal rekonstruieren und repräsentieren. Der menschliche Geist sitzt sozusagen in der zweiten Reihe menschlicher Wahrnehmung und menschlichen Erkennens. Er kann nur das aufnehmen und sprachlich-symbolisch interpretieren, was ihm die innere und äußere Phänomene repräsentierenden neuronalen Netze des Geschöpfs in neuronal aufbereiteter Form darbietet. Er sitzt zwar unmittelbar daneben, ist aber nur ein Interpret, nicht jedoch unmittelbarer Empfänger und Beobachter.

Das erklärt auch, warum der Geist keinen direkten Zugriff auf unsere Wahrnehmung und unsere körperlichen Aktionen hat. Er kann nur sprachlich-symbolisch agitieren (z.B. denken) und induzieren, nicht jedoch direkt determinieren, was zu geschehen hat. Erst die Interpretation und Übersetzung der ihn umgebenden neuronalen, ebenfalls selbstreferenziellen Netze entscheiden letztendlich, was dann konkret chemo-motorisch im Körper des Geschöpfs geschieht.

Und es könnte zudem bedeuten: Das neuronale Korrelat der Sprache ist identisch mit dem neuronalen Korrelat dessen, was wir den menschlichen Geist nennen.
Tango des Erkennens - Emergenter Dualismus mitten im menschlichen Gehirn
In unseren Gehirnen tanzen autopoietische, selbstreferenzielle neuronale Netze den Tanz des Erkennens.

Eng umschlungen können sie sich nur gegenseitig anregen, perturbieren, aber nicht determinieren. In ihrem Tanz versuchen sie, die Regungen des jeweils anderen zu interpretieren und daraus eine gemeinsame Überlebensstrategie für das Geschöpf zu finden, in dem sie existieren.

In dem einen, dem phänomenalen System, entsteht die Welt in phänomenalen Rekonstruktionen, die eine möglichst realitätsnahe Repräsentation und neuronale Simulation der gegenwärtig vorherrschenden körper-inneren und -äußeren Umweltzustände darzustellen versuchen. Zur jeweiligen Bewertung und Einschätzung einer konkreten Situation greift dieses System dabei auf die phylogenetischen Überlebensinformationen einer Spezies und die ontogenetischen Lebenserfahrungen eines einzelnen Geschöpfs zurück, und entwirft daraus Vorhersagen darüber, was im unmittelbar nächsten Moment passieren könnte.
In ihm manifestiert sich deshalb auch das, was wir Seele nennen. Über emotionale Prozesse werden dabei phylogenetisch gesammelte Überlebensinformationen einer Spezies an die jeweils lebende Generation vermittelt und zusammen mit den ontogenetischen Lebenserfahrungen des einzelnen Geschöpfs zu dessen Verhaltenssteuerung genutzt.
Dieses System organisiert den überwiegenden Teil der Überlebensstrategie des einzigartigen Geschöpfs in biologisch-physischen Zusammenhängen.

In dem anderen, dem sprachlich-symbolischen System, entsteht aus den phänomenalen Rekonstruktionen des zuvor genannten eine auf den intersubjektiv gebildeten Bedeutungszuweisungen menschlicher Sprachen aufbauende symbolische Interpretation der körper-inneren und körper-äußeren Umwelten. Dieses System greift auf die sprachlich-symbolischen Konstruktionen der Person und deren Einbindung in die ebenfalls rein sprachlich-symbolische Matrix zurück, die sich unter anderem vor allem in Form von Familie, Nation, Religion, Wirtschaft und Wissenschaft konstituiert.
In ihm manifestiert sich somit auch das, was wir Geist nennen. Dieses System organisiert die Überlebensstrategien der darin konzipierten multiplen Personenkonstrukte in den symbolischen Zusammenhängen menschlicher Sprach- und Gesellschaftssysteme.

Der Tanz des Erkennens ist ein Tango neuronaler Systeme, die sich jeweils nur auf die Art der eigenen selbstreferenziellen Erkenntnisfähigkeit gegenseitig interpretieren können. Eng umschlungen, sind sie dennoch getrennt voneinander, und können im Laufe eines lebenslangen Tanzes nur voneinander lernen, sich aufeinander beziehen, und im besten Fall in vollständiger Selbstbestimmung und Selbstreferenz aufeinander eingehen.
Wir Menschen haben die neuronale "Membran", die neuronale "Haut" nur noch nicht entdeckt, die die einzelnen neuronalen Instanzen, trotz unmittelbarer Nähe zueinander, voneinander trennt und dadurch untereinander nur strukturelle Koppelung ermöglicht und zulässt.

Der Dualismus zwischen Geist und Seele findet somit nicht außerhalb, sondern gänzlich innerhalb menschlicher Gehirne statt. Geist und Seele sind unterschiedliche neuronale, nur strukturell miteinander verbundene Instanzen, und keine außerhalb menschlicher Gehirne sich konstituierende Dimensionen.
Den Dualismus zwischen Geist und Gehirn gibt es dagegen nicht. Der Geist ist ein emergenter Bewusstseinszustand, der sich im neuronalen Korrelat der menschlichen Sprache, somit also aus biologischen Strukturen neuronaler Netze konstituiert.

So ist das mit Seele und Geist!
Und deshalb ist das auch so von Mensch zu Mensch!
Ja sogar von Geschöpf zu Geschöpf allgemein, denn auch Tiere haben ein phänomenales System, in dem sich ihre Seele manifestiert, deren emotionale Signale eine, wenn auch oft schwierige, Verständigung und damit Verhaltenskoordination über Speziesgrenzen hinweg möglich macht!
Organische Organisation von Abgrenzung und kontrolliertem Austausch
Die organische Organisation von Abgrenzung und kontrolliertem Austausch scheint ein kosmisch-biologisches Grundprinzip zu sein. Die Zellmembran oder die Haut lebender Wesen sind Beispiele dafür. Erst dadurch kann innerhalb einer biologisch organisierten Grenze ein autopoietisch selbstorganisierender Organismus entstehen, der zu seiner Umwelt in einem von ihm selbst gesteuerten und soweit wie möglich kontrollierten materiellen Austauschverhältnis steht.
Diese Organisation von Abgrenzung und kontrolliertem Austausch von Materie ist auch in den Gehirnen lebender Wesen das strukturierende Grundprinzip, das selbstreferenzielle, in sich geschlossene Informationsverarbeitung und damit eine Arbeitsteilung von höchster Effizienz ermöglicht.
Wir Menschen haben das Organisationsprinzip der "neuronalen" Membranen oder Häute nur noch nicht entdeckt, die die einzelnen Neuronennetze voneinander trennen und zwischen ihnen lediglich eine strukturell gekoppelte Informationsverarbeitung in selbstreferenziell geschlossenen Erkenntnisräumen zulassen.
Es wäre wunderbar, wenn die Zeit nicht eine Ausdehnung des Geistes selbst wäre
Augustinus von Hippo
Was aber wäre denn so schlimm, wenn dem so wäre?
Wenn das, was wir die Zeit nennen, also nur eine Ausdehnung des menschlichen Geistes wäre,
ohne reale Entsprechung im physisch-biologischen Kosmos des Seins?

Welchen Teil menschlicher Existenz würde das treffen?
Wie würde sich unser Verständnis von Realität, Wirklichkeit, Identität und Sinn verändern?

Und in welcher Weise könnten wir dann über das, was wir Geist und Seele nennen, neu und anders nachdenken?
Sein und Sinn
Geschöpf und Person
Im Sein ist keine Zeit, kein Sinn zu finden. Das Geschöpf lebt im absoluten Jetzt kosmischer Genese.

Sinn ergibt sich erst in der sprachlich-symbolischen Dimension der vom menschlichen Geist geschaffenen virtuellen Repräsentation. Und erst dadurch kann die Ausdehnung in eine Vergangenheit und Zukunft erfolgen, die die symbolisch repräsentierte Geschichte einer Person enthält. Aber diese Person ist lediglich eine symbolische, keine reale Figur. Das Personsein bezieht sich lediglich auf ein Geschöpf, das weiterhin dem zeitlosen Verlauf kosmischer Genese ausgeliefert bleibt. Und deshalb "überlebt" auch nur die symbolische Repräsentation der Person den Tod des Geschöpfs, verweilend als virtuelle Gestalt in den Gehirnen der Menschen, die sich daran erinnern.
Es könnte sein, dass daraus der Mythos der unsterblichen Seele entstanden ist.
Seele und Geist
Physisch-biologische und Sprachlich-symbolische Dimensionen menschlicher Existenz
Wir leben in zwei ganz unterschiedlichen Dimensionen.

Die eine ist der reale, physisch-biologische Kosmos, in der wir uns als einzigartige Geschöpfe bewegen und den allgemeinen universellen Gesetzen des Lebens unterliegen. Dort gibt es nur den zufälligen Augenblick des Seins, in dem sich Körper und Seele befinden.

Die andere ist die virtuelle, sprachlich-symbolische, in den menschlichen Sprachen intersubjektiv konstituierte Dimension. In ihr bewegen wir uns als multiple Personenkonstrukte und unterliegen der von den Menschen selbst entwickelten gesellschaftlichen Matrix. Nur dort gibt es, als Ausdehnung des menschlichen Geistes, Vergangenheit und Zukunft.

Der menschliche Geist ist nichts weiter als ein Produkt der neuronalen Netze des menschlichen Gehirns, in denen Laute und Zeichen durch intersubjektiv konstituierte und transgenerational stabilisierte Bedeutungszuweisungen zu Worten, Sätzen und Sinn werden.

Wir meinen, es ist vor allem das Schicksal der Person, das bestimmt, ob wir glücklich oder unglücklich sind.

Es wird aber immer deutlicher, dass wir das zu "eindimensional" betrachten.
Gäbe es keinen Sinn und keine Zeit
Wäre das nicht wunderbar:

Unbelastet von Vergangenheit und Zukunft einfach leben im Augenblick des Seins.

Einfach dasein, existieren, ohne einen Zweifel, wofür.

Der Geist im Einklang mit Seele und Körper, glücklich und zufrieden mit dem Meistern der unmittelbaren Herausforderungen jedes flüchtigen Augenblicks.

Unabhängig von den Rollenklischees, die unser Personsein uns aufbürdet.

Einfach nur Geschöpf sein, mit all seinem wunderbaren Reichtum an Eindrücken und Erleben.

Es würde gehen, wenn wir lernen würden, besser zwischen unserem Geschöpfsein und Personsein zu unterscheiden. Wir könnten dann viel mehr Geschöpf und nur soweit Person sein, wie es ein Überleben in der - rein sprachlich-symbolisch konstituierten - Matrix menschlicher Gesellschaften erfordert.

Wir müssten uns sehr viel weniger ausliefern, als uns bewusst ist.

Wir hätten sehr viel mehr Spielraum, als wir zu nutzen gewohnt sind.
Das Zeitmaß ist der Geist
Aber wie kann sich die Zukunft, die doch noch nicht ist, verzehren oder erschöpfen, wie kann die Vergangenheit, die nicht mehr ist, zunehmen, wenn nicht der Geist, in dem dieses vorgeht, eine dreifache Tätigkeit ausübt? Denn er erwartet, nimmt wahr und erinnert sich, so dass das von ihm Erwartete durch seine Wahrnehmung hindurch in Erinnerung übergeht. Wer leugnet nun, dass das Zukünftige noch nicht ist? Allein die Erwartung des Zukünftigen ist bereits im Geiste. Wer leugnet, dass das Vergangene nicht mehr ist? Aber die Erinnerung an die Vergangenheit ist noch im Geiste. Wer leugnet, dass die Gegenwart der Dauer entbehrt, da sie in einem Augenblicke vorübergeht? Allein es dauert doch die Wahrnehmung; durch sie soll das, was vorläufig erst herankommen soll, Dauer in der Vergangenheit erhalten. Also ist nicht die Zukunft lang, die ja nicht ist, sondern eine lange Zukunft ist nur eine lange Erwartung der Zukunft; ebenso ist nicht die Vergangenheit lang, die nicht mehr ist, sondern eine lange Vergangenheit ist nur eine lange Erinnerung an die Vergangenheit.

Wenn also die Gegenwart, um Zeit zu sein, in die Vergangenheit übergehen muss, wie können wir dann sagen, dass sie an das Sein ge­knüpft ist, da der Grund ihres Seins darin besteht, dass es sofort in das Nichtsein übergeht? Also müssen wir in Wahrheit sagen: die Zeit ist deshalb Zeit, weil sie zum Nichtsein hinstrebt.

Das hat sich bis hierher wohl als klar ergeben, dass weder die Zukunft noch die Vergangenheit ist und dass man eigentlich nicht sagen kann: Es gibt drei Zeiten, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Genauer wür­de es vielmehr heißen: Es gibt drei Zeiten, eine Gegenwart in Bezug auf die Vergangenheit, eine Gegenwart in Bezug auf die Gegenwart und eine Gegenwart in Bezug auf die Zukunft. Denn in unserer Seele sind die Zeiten in dieser Dreizahl vorhanden, anderswo aber finde ich sie nicht. Gegenwärtig in Bezug auf die Ver­gangenheit ist das Gedächtnis, gegenwärtig in Bezug auf die Gegenwart die Anschauung und gegenwärtig in Be­zug auf die Zukunft die Erwartung.

Zeit ist nur eine Ausdehung, aber wovon, das weiß ich nicht. Es wäre wunderbar, wenn sie nicht eine Ausdehung des Geistes selbst wäre.

Augustinus von Hippo

 

Was für eine weise Erkenntnis!
Es könnte somit sein, dass es das, was wir in der Sprache Zeit nennen, in der kosmischen Realität und Genese nicht gibt, dass Zeit nur eine Ausdehnung, somit Erfindung des menschlichen Geistes in seiner sprachlich-symbolischen Dimension ist.
Wenn aber die Zeit eine Erfindung des menschlichen Geistes ist, was ist dann der Sinn des Seins?
Der Mensch erfand die Zeit, und sucht seitdem in deren Anfang, Ausdehnung und Ende einen Sinn.

Wenn es aber keine Zeit im real existierenden Kosmos gibt, gibt es dann auch keinen realen, kosmischen Sinn?

Könnte es also sein, dass der Mensch vergebens in seinen vermeintlichen Vergangenheiten und Zukünften nach etwas sucht, was sich im absoluten Jetzt seines Seins bereits erschöpft: Einfach zu leben im Hier und Jetzt so lange ihm zu leben vergönnt ist?

Ein Leben ohne Zeit braucht keinen, enthält keinen Sinn. Ein Leben ohne Zeit ist ein Leben im Jetzt, ein Leben in dem Augenblick, den allein ein Mensch nur besitzt, wie Marc Aurel schon erkannte. Würden wir mehr im Jetzt leben, würden wir erkennen, dass sich die Konzepte Zeit und Sinn einfach in nichts auflösen.

Zeit und Sinn sind nur sprachlich-symbolische Konzepte zur Verhaltenskoordination, die es dem Menschen ermöglichen, sich in der Matrix der von ihm damit konstituierten Gesellschaften als Person zu verorten und zu bewegen. Nur als Person hat er eine beliebig rekonstruierbare Geschichte und vorstellbare Zukunft, Rasse, nationale Zugehörigkeit, gesellschaftlichen Status, Religion, Eigentum und all die weiteren rein symbolischen Merkmale, die sein multiples Personsein konstituieren.

Als einzigartiges Geschöpf, im Geschöpfsein, ist er jedoch immer noch gebunden an das absolute Jetzt kosmischen Seins. Dort wo sein Körper und seine Seele verweilen gibt es keine Zeit und somit auch keinen Sinn. In der unumkehrbaren und unvermeidbaren Kürze jeden Augenblicks des absoluten Jetzt zählt nur, dass er am Leben ist und bleibt. Nur danach richten sich die mächtigen metabolischen Mechanismen seines Körpers und emotionalen Kräfte seiner Seele.

Statt dies zu begreifen und mehr im Jetzt seines Seins zu verweilen und sich mit seinen körperlichen und seelischen Kräften zu vereinen, irrt der menschliche Geist jedoch in virtuellen Welten umher, in denen das Geschöpf, in dem er denkt, nicht wirklich physisch existiert.

Keine Zeit = Kein Sinn?
Der menschliche Geist erdachte in seiner intersubjektiv konstituierten sprachlich-symbolischen Dimension die Zeit. Dann kann er, wenn ihm danach ist, zur Zeit auch einen Sinn erfinden.
Der Mensch sollte nur begreifen, dass die sprachlich-symbolischen Konzepte seines Geistes im absoluten Jetzt des Seins, in dem er als Geschöpf existiert, nicht vorkommen. Sein Körper und seine Seele kennen also keine Zeit und keinen Sinn, sondern nur die flüchtigen Zustände des absoluten Jetzt, die ohne konkreten kosmischen Plan ständig entstehen und vergehen.

Könnte es somit sein, dass sich der menschliche Geist mit dem selbst propagierten Mangel an Zeit und Sinn vor einem Fehlen an rein virtuellen Konzepten fürchtet, die ganz allein er selbst in die sprachlich-symbolische Dimension menschlicher Existenz erst hineinprojiziert hat? Traktiert er mit seiner Furcht Körper und Seele, die in einen Konflikt hineingezogen werden, dessen Auslöser sie im absoluten Jetzt des realen komsischen Seins niemals erkennen können, weil dort Zeit und Sinn nicht existieren?
Es war kein Gott, der den Menschen aus dem Paradies verstieß
Es war der Mensch selbst
Das Paradies ist die zeitlose Existenz im absoluten Jetzt kosmischer Genese. Es gibt dort weder eine Vergangenheit, noch eine Zukunft. Im freien Spiel kosmischer Kräfte bestimmt der Zufall die Schicksale der Geschöpfe. Nichts ist mit absoluter Sicherheit vorhersehbar.

Erst als der in der vom Homo sapiens intersubjektiv kreierten symbolischen Dimension der Sprache entstehende menschliche Geist das Konzept Zeit erfand, konnte er in dessen virtueller Konstruktion das absolute, einzig reale Jetzt des biologisch-pyhsischen Seins in eine gleichermaßen virtuelle Vergangenheit und virtuelle Zukunft ausdehnen und eine sogenannte Biographie und Geschichte entwickeln.

Der Mensch konnte sich dadurch zwar von den unmittelbaren Zwängen des absoluten Jetzt kosmischen Seins befreien, verfing sich aber immer mehr in den geistigen Konstrukten eingebildeter Vergangenheiten und Zukünfte. In einer exponentiellen Ausdehnung medial-virtueller Lebenswelten verliert er gerade heute zunehmend den Kontakt zum absoluten Jetzt, in dem er einzig real biologisch-physisch existiert.

Körper und Seele des Menschen verweilen dagegen weiterhin im absoluten Jetzt kosmischen Seins, dem eigentlichen Paradies zeitloser Existenz.
Würde der menschliche Geist das besser erkennen und sich den Regungen seines Körpers und seiner Seele wieder mehr zuwenden, könnte er den Zugang zum Paradies des zeitlosen absoluten Jetzt neu entdecken und nicht immer weiter in den endlosen Weiten seiner sprachlich-symoblisch-medialen Dimension zunehmend verloren gehen.

Der menschliche Geist würde dann eventuell auch erkennen, dass seine teilweise fast schon verzweifelte Suche nach einem generellen Sinn des Lebens gänzlich vergebens ist. Es gibt ihn nicht.

Wir sind einfach nur für den Fortbestand unserer Spezies da, der sich aus einem kosmischen Zufall heraus in einem ständigen Werden und Vergehen organisiert. Dafür werden wir geboren, deshalb müssen wir sterben. Dass der menschliche Geist nicht begreifen möchte, dass es um mehr nicht geht, ändert daran nichts. Das ist umso betrüblicher, erschließt sich doch der Sinn des Seins jeder einzelnen lebenden Existenz genau darin. Nur nach dem Erhalt unserer Spezies streben unsere Seelen, die in Jahrmillionen gemeinsamer Fortbestandsorganisation die Überlebenserfahrungen vorhergehender Generationen an die aktuell lebende über Emotionen weitervermitteln. Dabei zählen nur das Leben unmittelbar bedrohende oder fördernde Umstände zu dem, was unsere Seelen beachten. Vergangenheit als solche gibt es nicht, nur vergangene gute oder schlechte Erfahrungen ohne jeglichen zeitlichen Bezug. Zukunft gibt es nicht, nur von Augenblick zu Augenblick zu bewältigende Situationen, die anhand vergangener Erfahrungen beurteilt werden.

Das Paradies ist also immer noch da, wir sehen es nur nicht, wir glauben, es verloren zu haben. Dabei liegt es direkt vor unseren Füssen, vor unseren Augen. Wir erkennen es nur nicht, weil wir im Geiste in virtuellen Vergangenheiten und Zukünften schweben, die irgendwo sind, nur nicht da, wo wir uns biologisch-physisch befinden.

Dort, wo unser Körper und unsere Seele weilen, dort ist das Paradies, im absoluten Jetzt kosmischen Seins. Dort gibt es keine Sorgen um vergangene Versäumnisse und zukünftige Ereignisse. Im absoluten Jetzt des Seins zählt nur der aktuelle Moment, in dem wir real physisch existieren, zählt nur die aktuelle körperliche und emotionale Verfassung. Konkrete Vorstellungen von gestern und morgen existieren nur in den virtuellen Planspielen des menschlichen Geistes, dessen unablässiges Spekulieren leider so viel neuronale Kapazität beansprucht, dass die elementaren Bedürfnisse von Körper und Seele kaum noch ins rein sprachlich-symbolisch konstituierte Bewusstsein vordringen können.

Denn eigentlich geht es den meisten Menschen überwiegend körperlich und auch seelsich sehr gut. Es fehlt an wenig Essenziellem. Nur dem Geist fällt das in seiner zunehmend unübersichtlichen und von gänzlich Unnützem überfüllten symbolischen Dimension immer weniger auf.

Ein gutes Leben ist ein Leben im Jetzt.
In einem guten Leben weiß der Geist um die Bedürfnisse seines Körpers und seiner Seele.
In einem guten Leben zählen die Bedürfnisse des Geschöpfs mehr als die Anforderungen an die Person in der Matrix menschlicher Gesellschaften.
Wer glücklich werden möchte, muss die Dimensionen seines Geschöpfseins und Personseins klar erkennen und trennen können. Glücklichsein geht nur über das Geschöpfsein, keineswegs über das Personsein.
Wer das nicht erkennt, kann als symbolische Person in der virtuellen Matrix menschlicher Gesellschaften weit kommen, und doch als physisches Geschöpf bitter scheitern und zutiefst unglücklich sein.

success = talent + luck
great success = a little more talent + a lot of luck

Daniel Kahneman

Real existierende, kosmisch konstituierte Dimension
= Einfach nur Zufall ohne jeglichen Sinn und ohne jegliche Zeit
 
Sprachlich-symbolische, intersubjektiv konstituierte Dimension der menschlichen Spezies
= geistig-virtuelle Konstruktion von Sinn und Zeit
 
Geschöpf = reales physisches, im absoluten JETZT existierendes Wesen
Person = sprachlich-symbolisches Konstrukt, das sich auf ein menschliches Wesen bezieht und in der virtuellen Dimenson der Zeit dessen rein symbolische Biographie konstituiert
 
Fazit: Es ist das physische Schicksal des Geschöpfs im absoluten JETZT, das letztendlich zählt,
nicht die Schicksale der symbolischen Personenkonstrukte, die sich darauf beziehen
Fazit 2: Der Mensch kann planen und wollen, so viel er will.
Letztendlich entscheidet der kosmische Zufallsgenerator, welches Schicksal ihm bestimmt ist
Fazit 3: Wir können für die (virtuelle) Zukunft planen und erwarten, sollten dabei aber nie vergessen, dass der kosmische Zufallsgenerator allem in jedem Moment eine andere Richtung geben kann
 

Conventional hard-earned wisdom from science and much of philosophy would have it that life has no meaning other than what we bring to it. It's completely up to us, even though the gnawing question always follows as to whether or not that really is the way it is.

Michael S. Gazzaniga

Aber wie kann es dann gelingen, ein gutes Leben zu leben?
Die basalste Frage des konkreten Lebens ist die Frage, wie ich leben soll, wie ich mein Leben einrichten, welches Leben ich leben soll. Jeder, dessen Tage nicht damit ausgefüllt sind, das schiere Überleben oder Weiterleben zu schaffen, jeder, der über Spielräume und Möglichkeiten verfügt und genug Zeit vor sich sieht, mit seinem Leben etwas anzufangen, steht bewusst oder unbewusst vor dieser Frage.

Peter Stemmer

We seemingly don't puzzle the meaning of life most of the time. We want to live life, not think about it.

Michael S. Gazzaniga

Wenn dann auch noch das Phänomen "Zeit" zugleich
die größte Erfindung und Illusion des menschlichen Geistes wäre?
Hat sich selbst Albert Einstein getäuscht? Gibt es im real existierenden Kosmos nicht nur keine relative, sondern gar keine Zeit?

Ist das Phänomen "Zeit" also ein virtuelles Konstrukt, das nur in der Intersubjektivität des sprachlich-symbolischen Universums des Menschen vorkommt und keinerlei Entsprechung im physisch-biologischen Kosmos hat?

Wenn das so wäre, schwebt der Mensch dann in Sprache "denkend" die meiste Zeit in geistig-symbolischen Sphären, in denen er nicht wirklich physisch existiert?

Verpasst er eventuell im Geiste ständig das absolute Jetzt kosmischen Seins, in dem sein Körper und seine Seele ausschließlich weilen?
 
As with cities and transportation, so with thinking, reading, conversation, friendship, and politics. We travel along familiar paths of thought and intellectual exploration not because we are lazy but because we must.

Radical novelty is almost impossible, and if we were to stumble upon it, it would take unusual strength and power to see anything of value in it. The challenge faced by an artist is to make something new that is comprehensible; to be comprehensible it must already be, in a way, at least partly, old. In fact, this is the quandary we face in every aspect of our lives.

To "boldly go where no man [or woman] has gone before", we must first travel to the limits of the known world.

Alva Noë

Lebt der Mensch also überwiegend nur in einer geistig-symbolischen Fiktion,
den real existierenden Kosmos zu erkennen?
Ist sein Wissen vielleicht lediglich eine - über das symbolische Medium Sprache intersubjektiv geschaffene und transgenerational stabilisierte - neuronal-virtuell konstruierte Dimension kosmischen Seins, in der sein sich frei dünkender Geist Konzepte erfindet, die in der physischen Realtität des Universums nicht vorkommen?

Hat er in der symbolischen Dimension der Sprache dem Geschöpf virtuelle Konstrukte wie Art, Rasse, Person, Nationalität, Religion sowie Eigentum zugeordnet und in ein paar Jahrtausenden vergessen, wie wenig sich seine kreatürlichen Bedürfnisse grundsätzlich von denen aller anderen Geschöpfe, auch denen der höher entwickelten und im sozialen Verbund lebenden Tiere, unterscheiden?

Fällt ihm nicht mehr auf, dass erst die in der Sprache intersubjektiv etablierten und transgenerational stabilisierten Konstrukte zu den Unterscheidungen führen, hinter denen sein ihn mit dem anderen eigentlich verbindendes Geschöpfsein verschwindet und durch die er zu einem Objekt in einer sprachlich-symbolischen Matrix wurde, in der er sich vom anderen bis hin zum "Todfeind" entfremden und entzweien kann?

Wäre es dann nicht an der Zeit, dass der Mensch hinter dem sprachlich-symbolischen Konstrukt wieder mehr das andere Geschöpf wahrnimmt, dem er und seine Seele ähnlicher und näher sind, als sein Geist ihm in seinen erlernten und bewahrten Vorurteilen vormacht?
 

Anders als beim "Ich" fangen wir erst an, uns zu begreifen. Wir haben uns weit voneinander entfernt und dabei manchmal vergessen, dass wir miteinander verbundene, voneinander abhängige und aneinander wachsende Einzelwesen sind. Jetzt finden wir allmählich unsere gemeinsamen Wurzeln wieder und beginnen ganz langsam zu verstehen, dass wir alle mit den gleichen Bedürfnissen, Hoffnungen und Ängsten unterwegs sind, alle Menschen, überall auf der Welt.

Gerald Hüther

Sprache, Geist und Seele
Bedeutung Die Bedeutung eines sprachlichen Lauts oder Zeichens entsteht in einem intersubjektiven Prozess der Verständigung und Zuweisung. Sie ist zwischen den kommunizierenden Wesen verhandelbar!
Das unterscheidet sie von der Bedeutung eines tierischen Lauts oder Zeichens. Deren Bedeutungen entstehen in einem phylogenetischen Prozess und sind nicht verhandelbar. Die Bedeutung des tierischen Lauts oder Zeichens steht fest, kann nur erlernt werden und verändert sich höchstens in einem transgenerationalen Prozess der evolutionären Adaption, nicht jedoch über den Prozess einer intersubjektiven Vereinbarung.
Symbol Ein sprachliches Symbol menschlicher Kommunikation entsteht in einem intersubjektiven Prozess der Bedeutungszuweisung zu einem Laut oder Zeichen, das sich aufgrund seiner wiederholten Verwendung transgenerational stabilisiert hat.
Das unterscheidet es vom Symbol tierischer Kommunikation. Dessen Bedeutung ist phylogenetisch codiert sowie stabilisiert worden und zwischen den kommunizierenden Wesen nicht verhandelbar, verändert sich höchstens in einem transgenerationalen Prozess der Adaption.
Sprache In menschlichen Sprachen werden Laute und Zeichen durch intersubjektiv vereinbarte Bedeutungszuweisungen zu Worten, die die Phänomene der wahrgenommenen äußeren Umwelten und inneren Körperzustände in eine symbolische, transgenerational stabilisierte virtuelle Dimension projizieren.
Geist Der menschliche Geist entspringt dem neuronalen Netz, in dem die sprachlichen Bedeutungszuweisungen der menschlichen Spezies vorgehalten und verwaltet werden. Er ist das Medium, mit dem die intersubjektiv geschaffenen Sinnkonstruktionen deutbar und damit zur Verhaltensorientierung in natürlichen und sozialen Lebensräumen genutzt werden können.
Es war nicht der menschliche Geist, durch den menschliche Sprache entstand. Es war genau umgekehrt: Erst durch die intersubjektiv vereinbarten Bedeutungszuweisungen, über die Laute und Zeichen zu Worten wurden, konnte sich der menschliche Geist in der entstehenden transgenerational stabilisierten neuronal-virtuell repräsentierten symbolischen Dimension der Sprache entfalten.
Der menschliche Geist stellt auf der Basis von intersubjektiv entstehenden sprachlich-symbolischen Bedeutungszuweisungen nur Bezüge zur kosmischen Realität her, die sich beliebig weit davon entfernen und dabei auch ganz davon losgelöste virtuelle Formen annehmen können.
Seele Die Seele aller höher entwickelten Lebewesen entspringt dem neuronalen Netz, in dem die von der jeweiligen Spezies phylogenetisch gesammelten Überlebenserfahrungen gespeichert sind und so der aktuell lebenden Generation zur Verfügung stehen.
Eine gemeinsame Phylogenese konstituiert eine gemeinsame Basis seelisch vermittelter Überlebensinformationen, d.h. über seelische Prozesse kann über Speziesgrenzen hinweg gegenseitiges Verhalten koordiniert und aufeinander abgestimmt werden.
Der magische Moment
Die vermutlich hominiden Wesen konnten die weitreichende Konsequenz ihres Tuns nicht ahnen. Es war im Nachhinein betrachtet ein ungeheuer magischer Moment, als sie zum ersten Mal über die Bedeutung eines Zeichens oder Lauts verhandelt und damit das erste Symbol intersubjektiver Verständigung hergestellt haben.

Diese erste Verständigung über die Bedeutung eines Symbols legte den Grundstein für die von Terrence Deacon beschriebene Co-Evolution von Gehirn und Sprache. Denn mit dieser ersten intersubjektiven Übereinkunft nahm die symbolische Erschließung des phänomenal wahrgenommenen äußeren und körperinneren Universums seinen Anfang. Jede weitere Verständigung, jedes weitere intersubjektiv vereinbarte Symbol und die entstehende sprachlich-symbolische Konstruktion von Sinn benötigte in den beteiligten Wesen vor allem neuronale aber auch weitere physiologische Kapazitäten, die keiner genetischen Mutation bedurften. Epigenetische Prozesse und vor allem die von Terrence Deacon beschriebenen Anpassungsleistungen der Gehirne an die Anforderungen der jeweiligen Lebensum- sowie Körperzustände reichten aus, um den Umbau sowie vor allem Ausbau des hominiden Gehirns voranzutreiben. Denn der reale Kosmos hielt einen unerschöpflichen Vorrat an Objekten und Vorgängen bereit, die intersubjektiver symbolischer Bedeutungszuweisung und Sinnkonstruktion zugänglich waren und unter den sich entwickelnden Lebensumständen unserer Vorfahren auch dringend bedurften.

Mit jeder Verhandlung, mit jeder Übereinkunft, mit jedem intersubjektiv addierten Symbol und jeder neuen Sinnkonstruktion wuchsen die Anforderungen an die neuronalen Gehirn-Instanzen und physiologischen oral-gestikular-auditiven Kompetenzen, diese zu verarbeiten, zu erinnern und in Zusammenhang mit den zuvor vereinbarten zu setzen, sie für die entstehende Kommunikation bereitzuhalten und deren Nutzung zu ermöglichen. Ein zyklischer Prozess kam in Gang: mit jedem hinzugefügten Symbol und jeder zusätzlichen intersubjektiven Sinnkonstruktion erweiterten sich die entsprechend erforderlichen neuronalen Kapazitäten, mit jeder Erweiterung sprachlich-symbolischer Gehirnkapazitäten wuchs das Potenzial für höhere sprachlich-symbolische Komplexitätsbewältigung.

Aber am Anfang war dieser magische Moment der ersten Verhandlung, der ersten Übereinkunft, der ersten intersubjektiv zugewiesenen Bedeutung und damit der ersten Konstituierung eines kommunikativen Symbols und der darauf folgenden ersten intersubjektiv etablierten sprachlich-symbolischen Konstruktion von Sinn.

Unter dem Druck des veränderten Lebensraums kam dann eine Entwicklung in Gang, mit der die entstehende menschliche Spezies der real-existierenden eine sprachlich-symbolische Dimension hinzufügte. Diese sprachlich-symbolische Dimension hatte wohl einen mühsamen Start und dann eine zähe und langsame Ausdehnung erfahren. Jedoch vor einigen zehntausend Jahren nahm deren Expansion Fahrt auf, die sich noch heute ungebremst weiter beschleunigt.

Inzwischen hat die menschliche Spezies ein symbolisch-mediales Parallel-Universum geschaffen, in dem sie die Orientierung zu verlieren und dabei in einer "Pfütze eingebildeten Wissens" zu ertrinken droht.
The "missing link"
Seit Jahrtausenden rätseln wir Menschen darüber, wie ein vermeintlich "immaterieller" Geist auf Materielles einwirken könnte.

Wir verkennen dabei, dass das, was wir den menschlichen Geist nennen, das Materielle nie verlassen hat und selbst tief in den neuronalen Netzen menschlicher Gehirne verankert ist.
Was den menschlichen Geist letztendlich konstituiert, sind eindeutig materielle neuronale Netze, in denen die intersubjektiv vereinbarten Bedeutungszuweisungen erlernt, erzeugt, vorgehalten, erinnert und konstruiert werden, durch die Laute und Zeichen zu symbolischen Medien der zwischenmenschlichen Kommunikation werden. Was also als Immaterielles erscheint, sind nur die Symbole, die durch diesen Prozess entstehen. Dagegen ist die neuronale Basis, aus der heraus diese Symbole im intersubjektiven Prozess Bedeutung zugewiesen bekommen und erzeugt werden, unzweifelhaft materieller Natur.
Der menschliche Geist ist somit immer in neuronalen Netzen seiner Gehirne physisch verankert gewesen und hat damit jeher in einer direkten materiell fundierten Verbindung mit allen anderen neuronalen Netzen gestanden. Es wirkt keine immaterielle auf materielle Substanz ein, sondern es besteht und bestand schon immer eine unmittelbare materielle Verbindung.
Das was uns Menschen als immateriell am Geist erscheint, die aus den Bedeutungszuweisungen entstehenden Symbole intersubjektiver Verständigung, haben damit eine direkte materielle Basis in den neuronalen Netzen, in denen diese Bedeutungszuweisungen konstituiert werden.

Es gibt und gab nie eine den menschlichen Geist betreffende Lücke zwischen Immateriellem und Materiellem!
 
Die physische Realität scheint in dem Maße zurückzutreten, wie die Symboltätigkeit des Menschen an Raum gewinnt. Statt mit den Dingen hat es der Mensch nun gleichsam ständig mit sich selbst zu tun. So sehr hat er sich mit sprachlichen Formen, künstlerischen Bildern, mythischen Symbolen oder religiösen Riten umgeben, dass er nichts sehen oder erkennen kann, ohne dass sich dieses artifizielle Medium zwischen ihn und die Wirklichkeit schöbe.

Er lebt nicht mehr in einem bloß physikalischen, sondern in einem symbolischen Universum

Ernst Cassirer

In a very literal sense, then, each developing brain region adapts to the body it finds itself in.

Human brains are not just large ape brains, they are ape brains with some rather sigificant alterations of proportions and relationships between the parts. We ought to expect a significant part of this shift in proportions to reflect adaptations to the unusual cognitive demand imposed by symbolic learning. In other words, if the human brain is a more language-friendly ape brain, then the special demands of the language adaptation are likely to be reflected in the ways that human brain structure diverges from nonhuman brain structure. Given the completely unprecedented and indeed countervailing demands imposed by symbolic learning, as contrasted to all other forms of learning, it seems inevitable that some equally unprecedented neuroanatomical changes must lie behind the human symoblic facility. The most extreme deviations in brain structure between human and other primate brains may thus offer clues to the neural computations that most distinguish human from nonhuman minds.

Symbol use itself must have been the prime mover for the prefrontalization of the brain in hominid evolution.

The remarkable expansion of the brain that took place in human evolution, and indirectly produced prefrontal expansion, was not the cause of symbolic language but a consequence of it.

Terrence W. Deacon

Indeed, neuroscientific evidence is now accumulating that experience-dependent brain activity in particular environmental contexts plays a huge role in the development of the individual brain. Rather than being a collection of prespecified modules, the brain appears to be an organ that constructs itself in development through spontaneously generated and experience-dependent activity (Quartz 1999; Quartz and Sejnowski 1997), a developmental process made possible by robust and flexible developmental mechanisms conserved in animal evolution.

Evan Thompson

Virtuelle Konzepte des menschlichen Geistes
Zeit Es gibt keine "Zeit" im real existierenden Kosmos. Die reale kosmische Genese taktet in einem zeitlosen zufallsgetriebenen absoluten JETZT, das weder eine rekonstruierbare Vergangenheit noch eine eindeutig determinierbare Zukunft kennt.
Die vom menschlichen Gehirn phänomenal induzierte Kontinuität von realen Seins-Zuständen interpretiert und verarbeitet der menschliche Geist in seiner symbolischen Dimension als Dauer, die er in der Sprache Zeit nennt und über die er vermeintlich reale Vergangenheiten und Zukünfte konstruiert. Er verkennt dabei, dass er eingebettet in das ihn tragende Geschöpft real nur im absoluten JETZT kosmischer Genese existiert und einer von ihm selbst erzeugten virtuellen Zeitillusion unterliegt.
Die sogenannte "vierte" Dimension ist keine reale, sondern eine symbolische sprachlich-mediale Dimension der menschlichen Spezies.
Bewusstsein Wir sollten die Zustände "wach sein", "gewahr sein" und "bewusst sein" eindeutiger unterscheiden. Tierische Lebewesen können "wach sein" und alle ihrer äußeren und inneren Umgebung sowie einige auch ihrer selbst "gewahr sein", niemals jedoch "bewusst sein". Bewusst zu sein setzt eine sprachlich-symbolische Repräsentation des Geschöpfs voraus, über die dessen reale Existenz in die Dimension der Sprache hinein transzendiert und dort thematisiert sowie reflektiert werden kann.
Die Konzepte "Selbst" und "Identität" sind somit nichts anderes als virtuelle (Personen-)Konstrukte des in der sprachlich-symbolischen Dimension verankerten menschlichen Geistes. Sich seiner selbst bewusst zu sein, mithin Bewusstsein, ist der über den Geist vermittelte Zugang zu den sprachlich-symbolischen Sinnkonstruktionen der menschlichen Spezies und deren verhaltenskoordinierenden Funktion.
Sinn des Lebens Im kosmischen Sein gibt es keinen "Sinn des Lebens". Menschliche Existenz ist wie bei allen anderen lebenden Geschöpfen darauf gerichtet, Nachwuchs zu zeugen und diesen, sollte er dazu nicht unmittelbar selbst in der Lage sein, bis zur eigenen Überlebens- und Zeugungsfähigkeit zu bringen.
Die Frage nach dem "Sinn des Lebens" tauchte erst in der intersubjektiv geschaffenen symbolischen Dimension menschlicher Sprachen auf. Mit dem enstehenden sprachlich-symbolischen "Bewusstsein" von Existenz und Tod begannen sich im in der virtuellen Dimension schnell entwickelnden menschlichen Geist Zweifel zu regen. Es musste einen "Sinn des Lebens" geben, ansonsten hätte die Härte des Lebens das Denken über das Sein schnell aus Verzweiflung "kurzgeschlossen". Der Mythos, dann Götter und Religion boten dem Geist den Ausgang aus diesem sprachlich-symbolischen Dilemma.
Der "Sinn des Lebens" ist im virtuellen Bedeutungsraum der Spache eine Zuschreibung der Menschen selbst, die sich nicht aus der kosmischen Dimension ableiten lässt.
Leben nach dem Tod Stirbt ein Geschöpf, verschwindet es physisch für immer aus dem realen Kosmos.
Nur dessen sprachlich-mediales Konstrukt wird noch mehr oder weniger lange in lebenden menschlichen Gehirnen, die sich daran erinnern oder auf dessen mediale Relikte stoßen, rekonstruiert.
Seele Das Konzept "Seele" hängt eng mit dem Glauben an ein Leben nach dem Tod zusammen. Dabei missdeuten lebende menschliche Gehirne nur die virtuellen Konstrukte, die sie von Verstorbenen erzeugen, als etwas Substanzielles dieser Dahingeschiedenen.
Moral Der menschliche Geist meint, was gut und was böse ist, beurteilen zu müssen. In der kosmischen Genese gibt es diese gegensätzlichen Kategorien jedoch nicht.
Geburt, Leben und Tod genauso wie Entstehen, Vergehen und Zerstörung sind Vorgänge, deren Zustandekommen sich ohne jegliche Wertung einfach ereignen.
Gott Woher komme ich, fragt sich der Mensch, wohin gehe ich, warum bin ich hier und welchen Sinn sollte das alles haben?
Dass er aus dem Nichts kommt, dass er ins Nichts geht, dass er nur um den physischen Erhalt seiner Spezies existiert, dass sein Sein ansonsten nur einen von ihm selbst konstruierten virtuellen Sinn hat, will er weder begreifen noch annehmen. Um mangels Antworten nicht zu verzweifeln, verdrängt er die Realität und projiziert seine Sehnsüchte und Erwartungen auf ein imaginäres Konzept "Gott".
Das Konzept "Gott" ist eine symbolische Fiktion des menschlichen Geistes, die viel Irdisches bewirkt, bisweilen mehr Leiden als Freude, aber eine geistige Fiktion kann die Hoffnung auf Erlösung von einem Ende im Nichts niemals erfüllen. Glücklich können sich nur diejenigen schätzen, die durch ihren Glauben ihr irdisches Schicksal gut tragen, lenken und annehmen können.
 

Wenn Symbole im Laufe ihrer Entwicklung einen sehr hohen Grad von Realitätsangemessenheit gewonnen haben, dann ist es für die Menschen zunächst oft besonders schwer, zwischen Symbol und Realität zu unterscheiden.

Norbert Elias

Though we share the same earth with millions of kinds of living creatures, we also live in a world that no other species has access to. We inhabit a world full of abstractions, impossibilities, and paradoxes. We alone brood about what didn't happen, and spend a large part of each day musing about the way things could have been if events had transpired differently. And we alone ponder what it will be like not to be. In what other species could individuals ever be troubled by the fact that they do not recall the way things were before they were born and will not know what will occur after they die? We tell stories about our real experiences and invent stories about imagined ones, and we even make use of these stories to organize our lives. In a real sense, we live our lives in this shared virtual world. And slowly, over the millennia, we have come to realize that no other species on earth seems able to follow us into this miraculous place.

The doorway into this virtual world was opened to us alone by the evolution of language, because language is not merely a mode of communication, it is also the outward expression of an unusual mode of thought - symbolic representation.

Terrence W. Deacon

Autopoietische neuronale Systeme erzeugen ganz eigene Wirklichkeitskonstruktionen


Damit ist auch das menschliche Selbst ein vielschichtiges Konstrukt

Zuerst war lebender Metabolismus,
dann kam Bewegung und mit ihr Kognition und wahrnehmende Erschließung von Lebensräumen,
dann kamen emotionale Prozesse zur Weitergabe von Überlebenserfahrungen und Steuerung von Verhalten im sozialen Verbund,
dann kam Sprache und mit ihr die Symbolik, in der Geist und Bewusstsein der menschlichen Spezies entstanden.

Die diese Vorgänge steuernden neuronalen und zellularen Systeme sind in sich operational geschlossen, d.h. sie können sich gegenseitig nur perturbieren, nicht jedoch determinieren.

Jedes System übernimmt seine Aufgabe und zusammen ergibt sich die Emergenz des Lebens.

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